| [GAA, Bd. IV, S. 36] die katholischen Spanier ausgenommen) auf Irrwegen gewesen sind, indem sie nicht auf shakspearischen gingen. Dabei schreibt Wilh. Schlegel einen glatten Styl, er hat als ein echter geborener Übersetzer, das Talent, ein von 5ihm besprochenes Kunstwerk mit allen seinen äußeren Eigenheiten, selbst verschönert wiederzuspiegeln, ja ich will manche seiner lobpreisenden Relationen mit mehr Genuß wieder lesen als ich das gelobte Werk, sey es auch ein shakspearisches, noch einmal lesen würde, — aber strebt Wilh. Schlegel 10über das Zurückspiegeln der äußeren Erscheinung hinaus, will er urtheilen, das Herz des Kunstwerkes erfassen, die Vorzüge und die Schwächen zeigen, so fehlt es ihm mit einem Worte an Kritik. Das zu beweisen, berufe ich mich nur auf sein Urtheil über den Lear, welches Schauspiel er zweifelsohne 15im vollsten Werthe anerkennen will. Wilh. Schlegel findet im Lear kaum eine andere Tendenz, als die Darstellung des Mitleidens. Wo bleibt bei dieser Bezeichnung, die fast jeder Tragödie zukommt, das Characteristische des shakspearischen Schauspiels, in welchem eine Welt von Zorn, Grausen, 20Entsetzen, Haß, Liebe, Rache und Selbstaufopferung vereinigt ist? Den Ansichten Wilh. Schlegels huldigte in ihrem Werke über Deutschland eine geistreiche Französin, die Staël-Holstein, — wie hätte da noch der deutsche Dichterhaufen zweifeln oder 25widerstehen können? Nächst Schlegel (und vielleicht eben so viel oder gar noch mehr als dieser) wirkte, besonders seit dem Erscheinen des Phantasus (1812), L. Tieck auf das Wachsthum der Bewunderung des Shakspeare ein. L. Tieck, einer der bedeutendsten 30Romantiker Deutschlands, bedürfte einer zu großen Verehrung Shakspeares, die ihn nur in seiner Eigenthümlichkeit hindern kann, durchaus nicht. Seine früheren Novellen, gewiß so sehr zu schätzen als die in den letzten Jahren von ihm erschienenen, zeigen recht deutlich, wie selbstständig Tieck auch ohne Shakspeare 35dasteht. 1) Aber L. Tieck, stets mit Liebe zur dramatischen Kunst hingeneigt, seinem Genie nach mehr zur erzählenden |
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