| [GAA, Bd. IV, S. 106] darin finden, urtheilen aber (besonders Goethe) auch wie Kinder frisch darauf los. Das Angenehmste bei dem traurigen Briefwechsel ist für den Verehrer Schillers, das Gefühl, welches ihn bei den zwei 5letzten Theilen desselben ergreift. Freilich ist der Inhalt dieser zwei Theile so unbedeutend als der vier früheren Theile, und Schiller würde nimmer sie publicirt haben, — freilich gehen darin die Schiller'schen Complimente an Goethe vorwärts, und Goethe scheint sie noch immer für Ernst zu halten, — 10freilich hätte Goethe das Publicum auch mit diesen zusammengestoppelten, modo gedruckten, Billetten verschonen sollen, — aber Eines fühlt und sieht man: der Dichter Schiller überflügelt endlich sein Verhältniß zu dem großen Herrn in Kunst und Staat, — seine Kraft wächst und wächst, er fördert Mei 15sterstück auf Meisterstück, — er fühlt sich groß, auch neben Goethe, — seine Billette an ihn werden kürzer, trockener, — er tritt aus der subordinirten Rolle hervor, und ist: Schiller, der mindestens mit Goethe gleichberechtigte Genius. Das Gefühl dieser Erhebung von Seiten Schillers wird indeß 20etwas gedämpft, wenn man (wie hier der Fall ist) dabei sieht, wie Goethe's productive Kraft immer mehr sinkt, wie er, in der Angst, etwas zu leisten, aus sich selbst heraus, auf das Feld der Vielwisserei flüchtet. Da sammelt er ein, statt als Poet zu schaffen, — behaglich, in beliebiger Form theilt er das 25Eingesammelte denen mit, die es genießen wollen, — tiefwissenschaftliche Bildung eines Newton, Alexander von Humboldt oder Winkelmann (in den Fächern dieser Leute beschäftigt er sich besonders) verräth er nirgends, und so schleppt er sein späteres literarisches Leben dahin bis auf den heutigen 30Tag. Selbst seine Poesien werden oft nur naturhistorische Anschauungen, aber auch bei alle dem quält der treumüthige Schiller sich ab, nicht Abwege, sondern Goethische Objectivität oder Universalität zu erblicken. Betrachtet man die Mehrzahl der beklagenswerthen Köpfe, 35welche heut zu Tage die belletristischen Recensenten spielen, und sie bloß deshalb spielen können, weil das Drucken eben so leicht geworden ist, als in einer Thee-Versammlung den Mund aufzuthun und zu schwatzen, so begreift es sich, wie diese Leute, wo sie eine Autorität sehen, derselben durch Dick 40und Dünn nachfolgen, wie die Esel einem vorgehaltenen Bündel von Disteln. So werden ihnen auch die Zettelchen dieses |
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