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[GAA, Bd. IV, S. 370]

 



  Einmal aber erregte Grabbe mit einem der Aufsätze, die er
eingereicht hatte, statt eines Kopfschüttelns des Lehrers höchste
Verwunderung. Es war der Rat Falkmann. Dessen Hauptgebiet
war die Stilistik, und nach den Lehrbüchern zu urteilen,
die noch heute einen frischen Eindruck machen, muß er einen
vortrefflichen und sehr anregenden Unterricht gegeben haben.
Zu denen, die ihn genossen, hat auch Grabbes Landsmann
Ferdinand Freiligrath gehört, und dieser hat, wie seine Briefe
bekunden, Falkmann sehr hochgeschätzt und ihm stets die
größte Pietät bewahrt. Ludwig Merckel, sein Schulkamerad,
macht darüber in den „Memorabilien aus Freiligraths Jugendzeit
“ folgende Angaben: „Daß Freiligrath die deutsche Sprache
als Dichter so meisterhaft zu handhaben verstand, dazu hat
ohne allen Zweifel vornehmlich der Unterricht beigetragen, den
er bei dem Rath Falkmann gehabt. Dieser war ein ganz ausgezeichneter
Lehrer, wie in Latein, Geschichte usw., so auch
in der deutschen Sprache, in deren Geist und Reichthum er
seine Schüler so recht einzuführen verstand. Mit den Aufsätzen
nahm er es in jeder Hinsicht äußerst genau, suchte uns zugleich
durch genaue Anweisungen und strenge Anforderungen an die
größte Ordnung und Sauberkeit zu gewöhnen. Ein 'Gut, Fleißig,
Löblich' galt als eine hohe Ehre; das Gegentheil haben
wir, Freiligrath und ich, soviel ich mich erinnere, niemals zu
bedauern gehabt. Falkmann, der in jungen Jahren selbst einen
Band Gedichte herausgegeben und darin eine schöne poetische
Begabung gezeigt hatte 3), sah es gern, wenn auch seine Schüler,
sofern sie Anlage dazu besaßen, sich zuweilen in kleinen
Gedichten versuchten“ 4). Dies letzte bestätigt wiederum Ziegler,
indem er bemerkt, Falkmann sei ein großer Aufmunterer zu
poetischen Versuchen gewesen, dadurch, daß er in den Aufsatzstunden
häufig seine Schüler zu Poesien veranlaßt habe.

  Eines Tages nun — Grabbe mochte etwa sechzehn oder siebzehn
Jahre zählen — hatte Falkmann als Aufsatz ein Märchen
aufgegeben. „Die eingereichten Arbeiten wurden“, wie
es einer seiner pädagogischen Grundsätze forderte, „in den
Schulstunden von den Schülern selbst vorgelesen. Die übrigen
Schüler hatten sich, wie natürlich, an die Andeutungen des