| [GAA, Bd. IV, S. 35] (besonders, da Goethes Talent zu umfassend ist, um sich einer Schule zu fügen) wurden verstorbene Dichter fremder Nationen, vor allem Shakspeare, zur Meister- und Mitgliederschaft berufen. Nun legte Wilh. Schlegel durch die 5classische Übersetzung von 17 Schauspielen Shakspeares die festeste Basis zur Dauer der romantischen Schule in Deutschland, — ohne diese Übersetzung wäre sie schon aus Mangel eigner Stärke erloschen, — seit dieser Übersetzung hat aber auch außer Goethe, Schiller und einigen wenigen anderen Bevorzugten, 10die deutsche schöne Literatur nichts Bedeutendes hervorgebracht, — Vieles, sehr Vieles, was sich sonst wohl selbstständig und herrlich entfaltet hätte, ist seitdem im Shakspearischen Streben untergegangen. Es ward unter den Schriftstellern (nicht unter dem Volke) 15beinah Mode, etwas spöttisch auf Schiller hinabzusehen, man warf ihm nicht undeutlich eine bornirte Subjectivität vor, und als Schiller gestorben war, Goethe wenig mehr schrieb, Kotzebue nach Rußland flüchtete, herrschten die Romantiker ohne Hinderniß.20 Die Napoleonische Zwangsherrschaft trat ein: da die Deutschen im Leben nichts mehr von Freiheit besaßen, suchten sie dieselbe in der Kunst, — was sie an Land verloren hatten, schienen sie in der Wissenschaft wieder erobern zu wollen, — aus der trüben Gegenwart flüchtete man in das 25Mittelalter, zu dem leuchtenden Throne der Hohenstaufen, — und wer weiß, ob nicht eben so wie in der Wissenschaft geschah (Humboldt, Oken) etwas Eigenthümliches, Vollkräftiges auch in der Kunst hervorgegangen wäre, wenn nicht abermals all und überall der Shakspeare als höchstes poetisches 30Kriterium hätte gelten müssen. Nur das ernstere Studium und die größere Verbreitung eines nationellen Kunstwerkes, welches aber keinem Gedichte in der Welt an Range nachsteht, der Nibelungen, erfreut bei Betrachtung dieses Zeitraums den Nachdenkenden.35 Wilh. Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst (1809 oder 1810 in erster Ausgabe erschienen), setzten der shakspearischen Sache die Krone auf. Wilh. Schlegel geht die Theater aller Völker durch, um im 3ten Theile seines Werkes zu zeigen, wie Shakspeare weit über alles hinausragt, wie alle Nationen 40(höchstens die Griechen, vor denen noch immer einige philologische Ehrfurcht zurückgeblieben zu seyn scheint, und |
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