| [GAA, Bd. IV, S. 32] ihn geliebt. Nicht die Hälfte des Effects, welchen Schillers Stücke von der Bühne herab verursachten, hat die Aufführung irgend eines Shakspearischen Schauspiels begleitet, und wenn durch einzelne darstellende Künstler, z. B. durch 5Schröder in Hamburg, einige der shakspearischen Stücke oder vielmehr einzelne Charactere in ihnen einige Zeit auf die Menge drastisch wirkten, so zweifle ich sehr, ob es eben das „Shakspearische“ war, welches diese Wirkung zu Wege brachte. Die ältern Bearbeitungen des Hamlet und des 10Lear von Schröder, Beck pp rechtfertigen meinen Zweifel. Die beiden tragischen Dramen sind darin zu wahren Familienstücken aus der Diderot-lessingischen Schule umgewandelt: den Lear, der früher gewiß nicht ohne königliche Größe, ohne Erhabenheit und Geist gewesen, (es gehört schon eine bedeutende 15 Portion Verstandes dazu, um so wahn witzig zu werden, wie Lear es ist) und der auch im Alter noch Hochherzigkeit und selbst in seiner Raschheit noch Spuren vergangener Kraft an den Tag legt, — diesen Lear gibt uns die ältere Bearbeitung als einen „edlen“ „schwachen“ père de 20famille, durch seine Kinder in ifflandisch häusliches Unglück gerathen. Ich habe es stets als ein Zeichen feinen Tactes angesehen, daß Devrient, der in Berlin den Lear noch immer nach jener Bearbeitung spielen muß, auch den Geist derselben ergreift und consequent festhält und uns nicht den Lear des 25Shakspeare, sondern den umgearbeiteten vorstellt, vielleicht auch grade hierdurch die enorme Wirkung auf das große Publicum hervorbringt, welches das Einheimischere, selbst wenn es bedeutungsloser als das Fremde wäre, natürlich diesem in der Regel vorziehen wird. Hamlet, mit wenigen Ausnahmen 30so treu von Wilh. Schlegel übersetzt, daß man oft das Original zu lesen glaubt, will, trotz der besten Schauspieler, nach Schlegels Übersetzung kein rechtes Glück machen. Anders wie das Volk spricht aber ein Haufen ästhetischer Individuen. Ihnen ist Shakspeare das Höchste, oder richtiger 35das Aeußerste. Doch frage man sie einmal: was schätzt ihr denn eigentlich am Shakspeare? Sind sie offen, so müssen die Meisten antworten: „seine Auswüchse.“ Und warum diese? „Weil sie so leicht zu erkennen sind“. Die bizarren und grotesken Charactere, die sonderbaren Ausdrücke und Bilder 40(z. B. „er weint Mühlsteine“ im Richard III, „des Gedankens Blässe ankränkeln“, „beschmiert mit grausamer Heraldik“ im |
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