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[GAA, Bd. VI, S. 334]

 


      Handschrift Hochgeehrter Hr. Hons!

1.) Ich kann Ihnen nur Glück wünschen, daß nr. 5 nicht
mehr in Ihr Blatt sudeln will. Ich habe ihn in meiner Recension
des Hans Heiling nicht genannt, gar (um ihn nicht direct
5am Bart zu fassen) nur von „auswärtigen“ Recensenten zu
sprechen fingirt. Fühlt er sich dennoch verletzt, so sollte das
Sie freuen. Es beweis't, daß ich (doch auch einer Ihrer Mitarbeiter)
den Nagel oder wie das Sprichwort heißt auf den
Kopf traf. Das Unwesen der Operrecensionen im Fremdenblatt
10war zu arg. Ich erinnere zum Exempel nur unter Vielem
an die Kritik oder wie man die Jauche nennen soll, über
den Fidelio. Die Handschrift Meiselbach, welche ich überall in meinen
Recensionen nur schone, weil ich der Casse nicht schaden
mag, ist hier wie überall unseres Kritikers Idol. Das gute
15Mädchen sang aber am Schluß der 1sten großen Arie ½ Ton
zu tief. Es konnte und kann noch immer nicht richtig Scala
singen. Ihre, sc. der Meiselbach, höheren Töne sind in Verhältniß
gegen ihre Brusttöne zu spitz und es ist gar kein
Uebergang da, welcher diesen grellen Naturfehler durch Kunst
20verschleiert. Richtigen Ansatz der Stimme hat sie fast nie,
im Fidelio am wenigsten, sie detonirte, und grade die Detonationsstellen
wurden von eingen Kennern, vermuthl. auch
von nr. 5, beklatscht. Alles das und Manches sonst noch, hab'
ich bei mir behalten, obgleich es mich immer wurmt, Handschrift wenn es
25mir wieder in's Gedächtniß kommt. nr. 5 und andere Herren
verstehen wohl mehr von Gestalt (obgleich die Figur der M.
auch nicht zu schön ist) als von Spiel und Stimme. Ihr Spiel?
als Fidelio? Eine Sylbe der Schröder-Devrient sagt mehr als
bei ihr 2 Acte. Warum hat Spohr in Cassel sie nicht behalten,
30wenn er sie nicht quitt haben wollte? Ich glaube gar, einmal
behauptet die kenntnißreiche nr 5, die Meiselbach hätte italiänischen
Gesangsvortrag. Will nr. 5 etwas besser die Ohren
spitzen und nicht auf die minder hübsche Person seh'n, so
wird er finden: Mad. Albrecht nicht Dem. M. ist
35die gebildet'ste, geübteste Sängerin unseres Handschrift Theaters, und würde
am besten eine rossinische Partie vortragen. Sie hat die reinste
Intonation, eine gute Stimme, singt richtig und vibrirt nicht
wie die Gepriesene. Doch sie sieht etwas ältlicher aus. Ueber
kurz oder lang hätte Jemand die nr. 5 zurecht gewiesen. Ich
40selbst vielleicht, weil ich nimmer auf die Länge solche Urtheile