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[GAA, Bd. I, S. 611]

 


„Die Seelenmesse“ (II, 109—26) Minas „süßester Wunsch, in Thrä-
nen hinzusterben“. Sinnliche Leidenschaften scheinen die Menschen
dieser Erzählungen nicht zu kennen. Kaum je ist die Rede davon,
daß sie dadurch in Versuchung geführt würden oder ihnen gar
unterlägen.
Verweis zum Text S.257, Z.37: Fanny Tarnow: Franziska Christiane Johanna
Friederike, gewöhnlich Fanny T. (1779—1862) war, durch die
Not gezwungen, Erzieherin, im Laufe der Zeit aber auch eine be-
kannte Schriftstellerin geworden. Seit 1820 lebte sie in Dresden als
Mitglied des romantischen Liederkreises, der sich um Theodor Hell,
Friedrich Kind und Arthur von Nordstern (Konferenzminister Gott-
lob Adolf Ernst v. Nostitz und Jänkendorf) gebildet hatte. Ihre
Erstlingserzählung „Alwine von Rosen“ wurde gedruckt in Roch-
litzens „Journal für deutsche Frauen“ vom Jahre 1804. Es folgten
zunächst: „Natalie, ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Her-
zens“ (1811), „unter strömenden Tränen und in höchster Leiden-
schaftlichkeit“ geschrieben, „Thorilde von Adlerstein, oder Frauen-
herz und Frauenglück; eine Erzählung aus der großen Welt“ (1816),
„Mädchenherz und Mädchenglück“ (1817). 1821 begann, unter dem
Titel „Lilien“, eine vierbändige Sammlung von Erzählungen und
anderen Beiträgen zu erscheinen. Die Romane der Fanny Tarnow
gehören zu der neuen, damals aufkommenden Gattung der Ent-
sagungsromane, in denen sich die „Sentimentalität mit einer from-
men Schwärmerei für die Tugend, mit einer Liebe zu Opfern für
die Tugend“ verband, und die insbesondere von Damen geschrie-
ben wurden. Ein edelmütiges Mädchen liebt, „aber sie opfert die
Befriedigung ihrer Neigung einer höheren Pflicht der Ehre auf und
entsagt freiwillig“, stirbt dann wohl auch an gebrochenem Herzen.
„Oder sie liebt, wird verrathen, und rächt sich durch die edelste
Großmuth“. Dies sei, so schreibt Wolfgang Menzel in seiner „deut-
schen Literatur“ (2., verm. Aufl. Th. 4, Stuttgart 1836, S. 53 bis
54), der wesentliche Inhalt der zahlreichen Romane dieser Art. Die
der Fanny Tarnow ziehe er den übrigen vor, „weil in ihnen die
Tugend am anspruchlosesten und die Zärtlichkeit am wenigsten
durch Pruderie bemäntelt erscheint. Sie stellt in allen ihren Werken
ein natürlich fühlendes, zärtlich gestimmtes Mädchen dar, das durch
die Art, wie es sein Unglück edel erträgt, eines bessern Glückes
werth zu seyn beweist, und uns ein Mitleid einflößt, als ob es
unsre Tochter wäre.“ (Vgl. ferner Adolf Thimme, „Fanny Tarnow.
Eine Skizze ihres Lebens nach neu erschlossenen Quellen“, „Jahr-
bücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertums-
kunde“, Jg. 91, 1927, S. 257—78, insbes. S. 261, 278.)
Verweis zum Text S.258, Z.21 f.: ein Schock Poeten wegen ihrer elenden Gedichte
hinzurichten: Wilhelm Chezy bemerkt in seinen Lebenserinnerungen
mit Bezug auf Friedrich Wilhelm Gubitz: „Er machte auch Verse;
das Versemachen war die Krankheit der Zeit.“ („Erinnerungen
aus meinem Leben“, a.a.O. S. 116.)
Verweis zum Text S.258, Z.25: Heinrich Döring: (1789—1862), lebte damals als
Privatgelehrter in Jena, wo er Theologie studiert hatte. Er ist vor
allem durch seine biographischen Arbeiten über die klassischen
und über andere Schriftsteller Deutschlands bekannt geworden; es