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[GAA, Bd. I, S. 594]

 


der Arnold'schen Buchhandlung zu Dresden erschienen. Die Bei-
träge eines jeden Bandes gliedern sich in die gleichen sieben
Abteilungen: I. Töne der Andacht. II. Töne der Liebe. III. Töne
der Freundschaft. IV. Töne der Betrachtung. V. Töne der Mitthei-
lung. VI. Töne des Scherzes. VII. Variationen. In der ersten Gruppe
der Gedichte äußert sich Hells Frömmigkeit in Gedanken, welche
die herkömmlichen Geleise nicht verlassen und an der Oberfläche
der Dinge haften bleiben. In der zweiten erscheint der liebende
Mann als ein wehleidiger, tränenseliger, seufzender Schwächling,
die Frau, der dessen Neigung gilt, nach jenem versüßlichenden
Ideale gezeichnet, wie es für die Zeit des Biedermeier charak-
teristisch ist; eine leere Atrappe, die der Dichter nicht mit Blut
und Leben zu erfüllen vermag. Die Bilder und Situationen, deren
er sich als Kunstmittel bedient, sind vielfach von außen her ge-
nommen, nicht von innen, und darum, wie etwa das anakreontische
Getändel mancher Liebesgedichte, ohne Kraft der Überzeugung.
Kaum je gewinnt man den Eindruck, daß Hell alle diese Ge-
dichte geschrieben habe, weil er sie habe schreiben müssen. Die
routinierte Gewandheit, mit der er den Reim und die mannig-
faltigsten Strophenformen handhabt, vermögen diese Ansicht nicht
abzuschwächen. Im Ganzen zeigt Hell als Lyriker eine blasse und
alltägliche Physiognomie, ohne markante Züge. Im Jahre 1830
ließ er den „Lyratönen“, als „dritte Tonreihe“, (bei Vieweg in
Braunschweig) „Neue Lyratöne“ folgen. Dies nahm Wolfgang Men-
zel zum Anlasse, noch einmal über die Persönlichkeit des Ver-
fassers den Stab zu brechen. In No 130 des „Literatur-Blattes“
vom 23. Dezember 1831 schrieb er: „Ich habe schon früher dem
Herrn Theodor Hell die Unsterblichkeit prophezeiht, weil er ein
Extrem von Trivialität bezeichnet und insofern als Maaßstab des
heutigen Geschmacks auch noch der Nachwelt merkwürdig seyn
wird. In einer künftigen Geschichte der deutschen Poesie wird
immerhin der Satz stehn müssen: 'Es wurden damals von Nach-
ahmern, Stümpern und gemeinen Spekulanten eine ungeheure Men-
ge der fadesten Zeitschriften, Taschenbücher, Theaternovitäten etc.
geschrieben, welche hier aufzuzählen der Mühe nicht verlohnen
würde. Wenn Sie aber, meine Herrn, die Gattung in ihrer ganzen
Nichtswürdigkeit kennen lernen wollen, so lesen Sie Theodor Hell,
der es in der Dummdreistigkeit, seine Waaren anzupreisen sowohl,
als in der Lüderlichkeit der Fabrikation am weitesten gebracht
hat.'“ (S. 517.)
Verweis zum Text S.226, Z.11 f.: Trauerspiele von einem gewissen Herrn von
Houwald: Der lausitzische Landedelmann Ernst Freiherr von H.
(1771—1845) gehört mit seinen fünf ersten Dramen „Die Frei-
statt“ (gedruckt 1819), „Die Heimkehr“ (aufgeführt Dresden 1818;
gedr. 1821), „Das Bild“, „Der Leuchtthurm“, „Fluch und Segen“
(alle drei aufgeführt Dresden 1820; gedr. 1821) zu den Haupt-
vertretern der späteren Schicksalstragödie, wie sie um 1812 zu
einer, für geraume Zeit das Theater beherrschenden literarischen
Mode geworden war. Sie ist jetzt „in keinem Sinne mehr Aus-
druck künstlerischer oder gar geistesgeschichtlicher Kräfte“; viel-
mehr wird der Schicksalsgedanke nur als technischer Theaterkniff