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liche der Begebenheiten der ersten Erzählung („Stephan Waller“)
wird ins Unheimliche und Grausige gesteigert und dessen Wirkung
durch die Ausmalung der schauerlichen nächtlichen Szenerie noch
erhöht.
Die Diktion ist selten schlicht und einfach, weit häufiger gesucht
und gekünstelt, zu Schwulst und Überfüllung neigend. Eine ihrer
Eigenheiten ist ferner die, daß sich bisweilen mitten in der Prosa
lange metrische Stellen finden (z. B. II, 235, 245). Ein Lieblings-
ausdruck Krug von Nidda's ist das Wort „sinnig“, über dessen
Mißbrauch sich Grabbe nachher durch den Mund des Barons be-
klagt (vgl. Verweis zum Text S. 227, Z. 35).
Verweis zum Text S.226, Z.10 f.: Maultrommel- oder Lyra-Töne von Theodor Hell:
Th. H. ist Deckname für Karl Gottfried Theodor Win(c)kler
(1775—1856), seit 1815 Sekretär am kgl. Theater zu Dresden. 1824
wurde er sächsischer Hofrat, 1841 Vizedirektor des Hoftheaters.
Begabt mit einer ungewöhnlichen Arbeitskraft und großem Orga-
nisationstalente, fand er, neben seinem Posten am Dresdener Thea-
ter, das er über vierzig Jahre hindurch mit Eifer und Hingabe
gefördert hat, noch die Zeit für eine ausgedehnte und einfluß-
reiche Tätigkeit als Schriftsteller, Publizist und Übersetzer, für eine
beträchtliche Korrespondenz und zahlreiche Ehrenämter. Die von
ihm geleitete „Penelope“, ein Taschenbuch, der „Häuslichkeit und
Eintracht“ gewidmet (1811—1813, 1815—1848), brachte es auf 37
Jahrgänge, das von ihm ins Leben gerufene „Dramatische Vergiß-
meinnicht, aus den Gärten des Auslands nach Deutschland ver-
pflanzt“, dem (1818—1820) drei Bände „Bühne der Ausländer“
vorausgegangen waren, von 1823 bis 1849 auf 26 Oktavbändchen.
Auch leitete er die, als „Vespertina“ verspottete „Abendzeitung“
(siehe die Verweis zum Text Anm. zu S. 242, Z. 19), das Organ jener literarisch-gesel-
ligen Vereinigung, die sich anfangs „Der Dichterthee“, später „Lie-
derkreis“ nannte. Zu den Mitgliedern, deren Zahl schwankte und
die sich regelmäßig einmal in vierzehn Tagen trafen, gehörten außer
Winkler u. a. Karl August Böttiger, Hofrat und Oberinspektor des
Antikenmuseums, von Tieck im „Gestiefelten Kater“ und (als „Ma-
gister Ubique“) in der „Vogelscheuche“ verspottet, Eduard Gehe,
Friedrich Kind, der Textdichter des „Freischütz“, Friedrich Kuhn,
Otto Heinrich Graf von Loeben, der Calderon-Übersetzer Ernst
Freiherr von der Malsburg, Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und
Jänkendorf, Konferenzminister im kgl. Staatsrate, der sich als
Schriftsteller des Pseudonyms Arthur von Nordstern bediente,
zeitweise auch Carl Maria von Weber; von den Schriftstellerinnen
Helmina von Chézy, Fanny Tarnow und die, vornehmlich als
Malerin tätige Therese aus dem Winkel. Hinsichtlich des poe-
tischen Charakters herrschte in diesem Kreise keineswegs Einheit-
lichkeit. Neben Vertretern der Romantik stehen andere, die man
dem Biedermeier zurechnen muß. Schon den Zeitgenossen erschien
der Dresdner „Liederkreis“ vielfach als Prototyp der Mittelmä-
ßigkeit. Heinrich Laube hat ihn in seinem Kapitel über „Die
Poeten von der Elbe“ („Moderne Charakteristiken“, Bd 2, Mann-
heim 1835, S. 135—44) scharf und schonungslos charakterisiert. —
Hells „Lyratöne“ waren in zwei „Tonreihen“ 1821 im Verlage