Nr. 74, siehe GAA, Bd. V, S. 88 | 26. Juli 1823 | ![thumbnail](/Grabbe/Faksimiles/Briefe/small/G05B0074_01small.jpg) | Christian Dietrich Grabbe (Leipzig) an Adolph Henrich Grabbe, Dorothea Grabbe (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: ![](/icondir/lettericon.png) | Nachfolgend: ![](/icondir/lettericon.png) |
| [Leipzig, 26. Juli 1823.] Liebe Eltern! 35 Ich habe einen dummen Streich gemacht; ich versprach Euch vor sieben Wochen Euch zu besuchen und erhielt auch wirklich von dem königl. Theater 40 rthlr. Reisegeld, um [GAA, Bd. V, S. 89] in Leipzig, Berlin und Braunschweig Buchhändler-Geschäfte für mich und Tieck abzumachen und bin nun sechs Wochen beinahe ununterbrochen in Leipzig liegen geblieben. Dazu verleitete mich theils ein gewisser Buchhändler Hartmann, 5theils eine allzugroße Anhänglichkeit an Leipzig, theils der Rath Blümmer, welcher mich des Abends zu sich einlud, auch die Gesellschaft meiner frühern Bekannten ect war Mitursache davon. Ihr könnt denken, daß ich von meinen 40 rthlrn. noch einige Thaler übrig habe, aber nichtsdestoweniger 10reicht es nicht hin, um hier das Logis und alles gehörig zu bezahlen, noch viel weniger, um Euch zu besuchen, was ich doch so gern möchte, da ich es kann, weil ich bis in den September tief hinein, wo erst meine Gönner in Dresden aus dem Bade zurückommen, ganz frei habe. Zwar könnte 15ich hier bei meinem Wirthe, meinen Landsleuten, meinen Bekannten und Andren borgen, aber das mag ich nimmermehr thun, und wenn ich nach Dresden schreiben wollte, so würden die Leute daselbst, sich gewaltig ärgern, daß ich stets in Leipzig geblieben bin. Demnach bitte ich Euch mir ohngefähr 205 Louisd'or zu schicken oder auch mir zu leihen, wenn ich das sagen darf; ich würde nur 3 Stück fodern, aber da ich jetzt bis auf die Zurückunft Eures Briefes wenigstens 10 Tag warten muß, so ersuche ich Euch um zwei mehr. Dann will ich auch sofort von Leipzig abreisen, mich in Braunschweig nur 25ganz kurz, vielleicht nur einige Stunden, oder ½ Stunde aufhalten, und Euch in die langentbehrten Arme stürzen. Verzeihet meinen Fehler, ich bin noch zu jung. Auch kann ich Euch wahrscheinlich etwas Gedrucktes mitbringen, da Tieck jetzt Hand an meine Stücke gelegt hat und mir einen tüchtig 30bezahlenden Buchhändler zu verschaffen sucht. Wenn es möglich wäre, so wünschte ich, daß Ihr den Brief mit dem Gelde nicht auf der Detmolder Post abgäbt, sondern durch einen sichern Mann in Herford oder Bielefeld darauf legen ließet, — aber nein, es schadet nichts, die Detmolder dürfen wissen, 35daß Eltern ihrem Kinde was schicken, und ich bin auch doch in einer so guten Lage, daß ich mich dieses augenblicklichen kleinen Mangels nicht zu schämen brauche. Überdieß möchte ein Fremder Euren Brief zu schlecht bestellen oder gar unter- schlagen, und um ein wenig Eile muß ich Euch doch ersuchen. 40— Ich bin heiter, frisch, froh, gesund und sehne mich innig, einige Zeit bei Euch zu seyn. — Eben lädt mich ein leipziger [GAA, Bd. V, S. 90] Buchhändler zum Abendessen; lebt wohl! Antwortet mir bald! bald! | | Euer treuer, treuer | Meine Adresse: | | Sohn | an Chr. Grabbe, wohnhaft | | ChDGrabbe. | bei dem Herrn Rost, Fleischergasse | | | nro. 241 in Leipzig. | | | [Adresse:] An den Herrn Zuchth. und Leihbanks-Verwalter Grabbe in Detmold. Cito. |
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74.
H: Doppelbl. in 40; 2½ S., Adresse auf S. 4. Darüber der Poststempel:
LEIPZIG 26. JUL. 23. (Der Ortsname ist kaum noch zu
erkennen.)
F: GrA
D: WBl IV 355—56, als Nr 19.
Der Brief ist in sichtlicher Eile geschrieben.
S. 89, Z. 2: und] umd H
S. 89, Z. 34: nichts] nihts H
S. 89, Z. 35: ihrem] iherem H
S. 89, Z. 35: doch] doh H
S. 89, Z. 4: Hartmann] Mit Rotstift unterstr. H
S. 89, Z. 6: Blümmer] Mit Rotstift unterstr. H
S. 89, Z. 4: ein gewisser Buchhändler Hartmann: Christian Heinrich
Ferdinand H. aus Cöthen. Er war am 13. Dezember 1817
Leipziger Bürger geworden und hatte nach Ankauf einer Sortiments-Buchhandlung
von Gerhard Fleischer den C. H. F. Hartmann'schen
Verlag gegründet. Diesen samt dem ihm inzwischen angegliederten
Kommissionsgeschäfte hat er am 1. Februar 1829 an Friedrich
Volckmar verkauft. Sein Geschäft befand sich in der Grimmaischen
Straße im sogenannten Fürstenhause (heute Nr 30). (Nach Auskünften
des Stadtarchivs in Leipzig und des Herrn Ernst Saegenschnitter
daselbst.)
S. 89, Z. 6: Rath Blümmer: Oberhofgerichtsrat Heinrich Blümner
(1765—1839) habilitierte sich 1788 an der Leipziger Universität und
hielt im Sommer 1788—89 ästhetisch-philosophische Vorlesungen.
Später wurde er u. a. Mitglied des Leipziger Magistrats und des
Staatsgerichtshofes. Besondere Teilnahme widmete er dem städtischen
Theater, das hauptsächlich dank seiner Wirksamkeit im Jahre
1817 errichtet worden war und dessen Geschichte er geschrieben hat.