Nr. 696, siehe GAA, Bd. VI, S. 330 | 29. April 1836 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Moritz Leopold Petri (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Petri! 15Dieser unfrankirte Brief wird Dich wundern. Jedoch ich muß ihn schreiben. Vom Hrn. Schreiner, der jetzt mit der Ostermesse zu thun hat, und mir doch schon Vorschuß leistete, kann ich unmöglich weiteren fodern, besonders da meine Hermannsschlacht zwar im Ganzen vollendet, aber im Einzelnen noch 20nicht ausgefeilt ist. Demnach kann ich nicht anders als das Urtheil über mein hartes Loos (in welchem ich denn doch immer noch meine Mutter unterstützte) Dir und der Welt zu überlassen, und es drauf wagen, nach Detmold zurückzukehren, was immer besser ist als ein wohlfeiler Sturz in den 25Rhein, wofür ich mich noch zu theuer achte. Cotta hat mir 20, Dr. Frank in Wien 30 Gulden für jeden leichtzuschreibenden Journalbogen geboten. Du sollst es nächstens selbst lesen. Wie aber kann ich unter Umständen und Aergernissen, trotz deren ich mehr geleistet als ihr wißt, ihnen reelle Einsendungen 30liefern, ohne Gefahr mir und ihnen zu schaden? Mich wundert selbst, daß die Hermannsschlacht mir Tag für Tag besser glückt bei ihrem letzten Umguß. Darum bitt' ich Dich, meinen einzigen Freund von Jugend auf, 1.) schaffe mir mit umgehender Post 30, wo möglich 36 Thaler als Anleihe. Mein 35gesammtes, jetziges und künftiges Vermögen, auch mein elterliches Erbtheil, sobald es nach meiner Mutter Tode an mich fällt, haften. Du mußt aber sorgen, daß Hptm. Runnenberg die übersandte Summe für noch eingekommene Deserviten hält, [GAA, Bd. VI, S. 331] von denen Ziegler vielleicht auch noch ein Stückchen für mich übrig hat, und daß er über die schweigt, um kein unnützes Geplapper bei meinem Weib zu erwecken. 2.) bitt' ich: miethe mir ein kleines Logis mit 1 Tisch, 2 Stühlen, einem Bett. 5Gleich zu Anfang mag ich mich in meinem Hause nicht todtärgern, obgleich, geht's nicht anders, ich die genannten Möbeln daraus holen ließe. 3.) Sorge, daß eure Juristen und Advocaten, meine alten Mitcollegen in den besseren Zeiten, wo ich noch unverheirathet war, mir soviel zum Abschreiben oder 10Ausarbeiten geben, daß ich täglich doch etwa 15 mgr. verdiene. Davon kann ich leben, und beizu meine poetischen Sachen vollenden. Dieser Brief ist in Eile geschrieben, daß ich aber gut, wenigstens sehr deutlich calligraphisch schreiben kann, weißt Du. Gasthäuser und jede unangenehme Berührung für 15euch will ich meiden. Meiner Mutter theile gefälligst die offne Anlage mit, und steh' ihr einstweilen bei. Jeden Dienst will ich Dir gern vergelten, wo ich kann. Meine Adresse ist jetzt: auf der Neubrück-Straße, bei Hrn. Bauer, nr. 171, 1 Treppe hoch. Mach' alles still wie möglich ab, schicke mir 20umgehends das gebetene Geld, sonst bin ich verloren und kann nicht einmal von hier fort zu euch. Auch hätte oder muß ich eine Paßerneuerung meines alten vom 17 Sept. 1834 auf Düsseldorf haben. Ein paar Worte auf einen Schein reichen hin. Der alte Paß war mir beim Umziehen verloren 25gegangen, und darum konnte ich ihn nicht schicken. Meinst du ich erhielte Weitläuftigkeiten, über das mehrere Monate verspätete Erneuerungsgesuch, auf ½ Jahr zu richten, (ich bin aber noch nächsten Monat bei euch) so laß es. Du kennst Meyen. Wo möglich aber grüß' ihn, oder den, der die Regierungspässe 30austheilt (Kellner?) höflichst von mir, und schaffe mir den Schein. Ich könnte in Münster auf der Durchreise Lärm bekommen. Hier ist mir gar kein Paß abgefodert, und ich hatte sein Datum lange Zeit vergessen. 35 Düsseldorf, 29. April 1836. Die Adresse steht oben im Brief [Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Canzleirath Petri in Detmold. [Von fremder Hand hinzugefügt:] frei. [GAA, Bd. VI, S. 332] |
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