Nr. 68, siehe GAA, Bd. V, S. 78 | 28. April 1823 | | Christian Dietrich Grabbe (Dresden) an Ludwig Christian Gustorf (Berlin) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Allervortrefflichster Gustorf! 35 Ich schließe, daß Du jetzt mit Köchy auf Eine Stube gezogen bist, und Deine Briefe setzen mich in Ekstase. Wie freut es mich, daß Du aus der Klemme bist. Hinter der Mauerstraße nro 22 war's doch eine curiose, herzdrückende Zeit. — Was [GAA, Bd. V, S. 79] Du mir in Deinem letzten Briefe über mein Verhältniß zu Tieck schreibst, ist ganz richtig, Uechtriz und Hundrich sind in die Extreme gerathen; übrigens geht es mir hier in Dresden noch so, wie im Anfange bei Euch, — ich stehe und halte mich 5im Hintergrunde, — kommt tempus, kommt Grabbe. — Was mein Auftreten betrifft, so hat das Weile, — Hr von Könneriz behandelt mich mit ausnehmenden Wohlwollen, — ich erhalte Geld und alles, — weiter wird aber unter 6 Wochen nichts geschehen; — vielleicht spiele ich zuerst irgend eine 10kleine Rolle im Tell. — — Habe nun viele von Uechtriz Bekannten und Bekanntinnen kennen gelernt, wie z. B. die Hofsecretairinn Ernst, welche mir nicht sehr imponirte. — Wo befindet sich Heine? — — Was den A. Mahlmann angeht, so habe ich ihn bis dato noch nicht besucht: 1.) weil ich nicht 15wußte, ob mein Brief bei ihm angekommen war, 2.) weil ich mir nicht den gehörigen Anzug verschaffen konnte, 3) weil in dem Augenblick, wo ich mir denselben verschafft hatte, die Berufung nach Dresden ankam, und diese mit dem Verwaltergeschäfte in einem zu directen Widerspruche stand, als daß 20ich ohne einen näheren Rath von Euch einen Schritt hätte wagen dürfen, und 5.) weil ich stündlich erbötig bin auf einen Wink nach Leipzig mit der Eilpost (welche den Weg in ½ Tage zurücklegt) zu reisen und mich ihm vorzustellen. — Meine Ansicht über die Sache ist bis dato dieselbe: ich betrachte 25sie als ein Reservecorps, welches am Ende mehr Dienste als die Hauptarmee leisten kann; übrigens schlage ich vor, daß man rascher zu Werke geht, — ich trete erst in 6 Wochen auf und lebe vielleicht gar bloß als Schriftsteller. — Ich dachte an Euren Unwillen, 30sonst würde ich schon längst von Mahlmann 200 rthlr. oder einen Esel erhalten haben. — Ich bin in tausend Hinsichten ein rechter Antidresdener. — Neulich war ich seit vier Jahren wieder zum erstenmal in der katholischen Kirche, und ich fühlte fast bis zu Thränen, wie sehr mir ein inniger Glaube 35Noth thut. — Stets Dein Freund Chr. Grabbe. / Grüße Robert. 40 (Schreib bald!!) [Dresden, Ende April 1823.] [GAA, Bd. V, S. 80] |
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