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Nr. 640, siehe GAA, Bd. VI, S. 268thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Carl Georg Schreiner (Düsseldorf)
Brief


  Handschrift Wir alle wollen durch's kummervolle Leben kommen,
schlecht, daß ich mich wundere, den Pfennig vom Leben noch
nicht weggeschmissen zu haben. Das Leben hat nur 3 Gutes:
Frühling, erste Liebe, Krieg. Die einzigen Erfrischungen.

35  Duller u. Gutzkow meinen es wohl anders.

Phön. Leprosen. Schmutzig.

  p. 472 über Hengstenb. u. conss. gut.

Alle Teufel, meine Augen: Gutzkow läßt den Duller erst
Grau in Grau, dann Weiß in Weiß mahlen. Er will den

[GAA, Bd. VI, S. 269]

 


Collegen loben, versteht's aber nicht. Erst Lob, dann Tadel,
dann 'nen Katzenschwanz. Zu dumm. — p. 487 träumt
ein Musikant vom waldumschattetten Apennin. Der Apennin
hat keine Wälder mehr. — 488. Aus Berlin. Die Dampfw.
5u. Eisenb. spuken. Wahr, aber nur bei uns, nicht in England
und Oesterreich. — Da entschuldigen Duller u. G. ihr wechselseitiges
Lobhudeln. Wer sich pp. — 496 über die Bilderbibeln
sehr wahr.

  p. 500. Das Ballet nicht verachtet. Der Ref. da kennt's
10Pariser nicht. Alle Kunst: mit sinnlichen Mitteln den Geist
Handschrift zu erheben. Leider walzt die Deutsche nur zu gern, doch
die Französin — ich bitte, der Kerl hat nie eine graziöse
française gesehen.

  Irving hat nicht viel Grütz' im Kopf, drum stoppelt er sie
15in aller Welt zusammen, und lügt daß es stinkt.

  nr. 127 Winter und Frühling abscheulich. Soll an den
Titel des Blatts erinnern.

  p. 507 wird der Main, nicht zum Druck, verlegt. Die
Römer kannten seine Mündung nur so wie wir: Moguntiacum!
20Nr. 3 des Intellbl. für ohngefähr: beiläufig. Der Gutzkow. —
Isabeau von Baiern, Isabella, ist eine Sünde von Schiller. Sie
war wunderschön, hatte aber 'nen Esel zum Kerl. Ganz Paris
bebte vor Lust als sie einzog. Nun wirds immer dem Schiller
nachgeschwatzt, als wäre sie, — ach Gott, ich mag's nicht
25sagen.

  Vom Faust? Das beste ist noch die Marionettencomödie.
Einfach, lustig, ohne Afferei. Hätte man nur ein Manuscr.
davon. p. 527 Stanzen auf Stanzen. Wenn das nicht Zott ist,
bin ich nie geboren.

30  Byron war ein großer Kerl. p. 528 soll einer sagen, daß
er sich zu ihm wie 'ne Auster verhalte. Der muß einen guten
Magen haben. — 535 besingt ein Esel eine Eselin.

  Handschrift Ueberall das Paris, als wär's so wa[s] Rares.

  Morgenbl. Gleich bessere Luft. Den ewigen Juden möcht'
35ich wohl bearbeiten, fiel' ich nicht so früh. — „Wir springen
von den Säugethieren zu den gefiederten Geschöpfen.“ Ich will
den Teufel thun.

  Daß Dampfschiffe, dann Luftschiffe, alle übrige Schiffahrt
vernichten, ist bei mir Ueberzeugung. Zuletzt werden noch
40Sonnenstrahlschiffe kommen. Die Welt gibt Stoff. Er ist nur
zu wenig verarbeitet. cfr. Raupach.

[GAA, Bd. VI, S. 270]

 


  132. O Pyrker. Da du diese Gedichte und die Tunisias
gemacht, wunderts mich, warum du auch den lieben Gott nicht
machtest!

  Lyons Wassersystem dummes Zeug. Der Rhone fließt zu
5rasch. Nützt wenig.

  Lamartine ist ein Schwatzer. Meine Maria:

            Gethsemane!
            Endloses Weh!
            Wüsten von Schmerzen
10            Was in dem kleinen Herzen?

Die litt. Unterh.

  691. Warschau tritt in den literarischen Hintergrund. Ist's
schon im Vorgrund gewesen?

[Düsseldorf, zweite Julihälfte 1835.]

15[Adresse:] Handschrift An den Herrn Buchhändler Schreiner. Mit Anll.

 


640.

H: Doppelbl. in 20; 3 S., Adresse auf S. 4.
F: StLBD 1593.
T: Willkomm S. 73.
T1: Robert Hallgarten: Neues von Grabbe. (In: Das litterarische
Echo. Jg. 4. H. 5. Dez. 1901. Sp. 293—301.) Sp. 300—01.
D: WGr IV 477—79, als Nr 240.

S. 269, Z. 6.: ihr] ihre H
S. 269, Z. 33: wa[s]] In der mit Textverlust beschädigten rechten
oberen Ecke des zweiten Blattes.
S. 270, Z. 6: ein] ein ein H

S. 268, Z. 36: Phön. Leprosen. Schmutzig: „Phönix“ Nr 117—19.
18.—20. Mai: „Das Leprosenhaus. Thüringische Sage, von Ludwig
Bechstein.“ Der Inhalt des Gedichts ist folgender:
  Ein Ritter entführt bei Nacht die Tochter eines alten Grafen.
Dieser verfolgt die Beiden mit seinen Mannen, und da die Tore
Erfurts noch verschlossen sind, so begehrt der Ritter Einlaß an einem
vor den Mauern der Stadt gelegenen, alten Hause.

[Bd. b6, S. 644]

 


„Es kommt ein Mann, thut auf und fragt ihn nicht,
Der Mann ist bleich, Tod starrt aus seinem Blick,
Voll Beulen starrt ihm Hand und Angesicht.“
Bang weicht die Jungfrau vor ihm zurück; doch schon fällt die
Tür hinter ihr ins Schloß.
„So kommen sie zum Zimmer; drinnen lag
Dicht Mann an Mann gereiht, es wallt wie Duft
Ein eckler Dunst und Qualm aus dem Gemach.
Verpestet ist die drückend heiße Luft,
Den Odem legt sie in ein enges Band,
Und mahnt an Leichen, mahnt an Kerkergruft.
Der Kranken Blicke glühn, wie Lavabrand,
Ein jeglicher der Männer, neugiervoll
Von seiner Lagerstatt halbnackt erstand.
Und gräßlich häßlich, die voll Gier — voll Groll
Die andern, drängen sie sich um das Paar,
Der Maid war bang, und ihre Zähre quoll.
Hehr stand die schöne Jungfrau, und es war
Als sei getreten aus dem ew'gen Glanz
Ein Engel unter eine Teufelschaar.
Doch steht sie, aufgelößt in Thränen ganz,
Von namenlosem Schmerz durchzittert, ach,
Sie sah sich tod — und ohne Todenkranz.
Der Ritter aber, zornentbrannt und jach,
Heißt weichen die Leprosen rings umher,
Und fordert streng ein anderes Gemach.
Doch nicht Erfüllung findet sein Begehr;
Hohnlachen schallt als Gegenrede nur,
Spott und Versagung wird ihm, statt Gewähr.
Da, wie die Hand zum treuen Schwerte fuhr,
Wirft sich auf ihn mit wüthendem Geheul,
Der Haufe wild, und bald mit Strick und Schnur
Wälzt sich am Boden über ihn ein Knäul,
Der Arm und Fuß in Bande schnürt und schmiegt,
Ein Vorspiel nur von grausenhafterm Gräul.

[Bd. b6, S. 645]

 


Umwunden und gefesselt machtlos liegt
Der Ritter in der Ungeheuer Kreis,
Die bübisch ihn gefällt, und ihn besiegt.
Und die Geliebte — ach mit Zähren heiß
Bethaut sie den gefesselten Gemahl,
Noch ahnt sie kaum, daß sie des Sieges Preis.
Sie fleht, sie jammert, doch als allzumal
In jedem nun erwacht die wildste Gier,
Geweidet und genährt von ihrer Qual —
Da werfen sie sich, jeglicher ein Thier
Mit Tigerwuth auf ihre Beute hin,
Sie kreischt, sie fällt, die Sinne schwinden ihr.
Dem Ritter fährts wie Wahnsinn durch den Sinn,
Er knirscht und schäumt, er heult in wilder Wuth:
'Das ist nun uns're Brautnacht! Mein Gewinn!'
'Das ist nun Lohn für unsre Liebesgluth!
Das ist der Fluch des Vaters! Ist mein Fluch!'
Er lästert Gott, und — schwimmt in seinem Blut. —“
  Nachdem die Leprosen ihre „Furienlust“ gestillt haben, verbergen
sie die beiden Leichen an einem dunklen Orte. Dort aber werden
sie von dem verfolgenden Grafen entdeckt, der zur Strafe das Leprosenhaus
mitsamt den Insassen in Flammen aufgehen läßt.
  Die Sage ist aufgenommen in Ludwig Bechsteins „Gedichte“
(Frankfurt am Main, Sauerländer 1836); sie findet sich dort auf
den S. 326—37. — Der krasse Stoff würde in der Tat nur mit weit
stärkeren künstlerischen Mitteln, als Bechstein sie besitzt, erträglich
und genießbar zu machen sein.
S. 268, Z. 37: p. 472 über Hengstenb. u. conss. gut: Ebenda Nr
116—23. 16.—25 .Mai: „Aus Berlin. Im Mai 1835.“ Der anonyme
Artikel stammt von Theodor Mügge. Am Anfang der in Nr 118 vom
19. Mai, S. 472 stehenden Fortsetzung wird mit scharfen, ironischen
Worten über die „frommen Bestrebungen“ berichtet, „welche die
wahrhaften Christen unternehmen, um ihre irrenden Brüder zu
erretten“. Dies „göttliche Bestreben“ gebe sich hauptsächlich in der
„Evangelischen Kirchenzeitung“ kund: „Mit welchem edlen Muthe
hat diese Zeitung und ihr Redakteur, der Professor Hengstenberg,
es gewagt, die Ketzer in Halle, Gesenius und Wegscheider, offen
anzugreifen, und deren Irrlehren aufzudecken“. Dann heißt es weiter:
„Freilich behaupten Bösgesinnte: es stifte diese Zeitung nur
Aergerniß und Zwiespalt, und rufe zu Haß und Unzufriedenheit
auf, pflanze Aberglauben und Dummheit, ohne dem wahren Christenthum
zu helfen, und störe jedes vernünftige Verständniß durch
die abgeschmacktesten und albernsten Verläumdungen und Verketzerungen.
Diese gottlosen Meinungen haben sich vielfach leider verbreitet;
[...]“ — Heinrich Friedrich Wilhelm Gesenius (1786

[Bd. b6, S. 646]

 


bis 1842), seit 1810 außerordentlicher, seit 1811 ordentlicher Professor
der Theologie an der Universität Halle, war doch in erster
Linie Orientalist und gilt als der Begründer einer selbständigen
semitischen Philologie. — Julius August Ludwig Wegscheider (1771
bis 1849) wirkte seit 1810 als Ordinarius für Theologie an derselben
Universität. Seine Tätigkeit konzentrierte sich auf die Dogmatik,
auf die er den Grundsatz anwandte, „nichts für wahr zu halten,
nisi quod claris certisque argumentis rationi probetur“. So lebhaft
man ihm aus den Kreisen des Rationalismus zustimmte, so standen
ihm doch andere in sehr feindseliger Stimmung entgegen, und diese
führte schließlich dazu, daß Ernst Ludwig v. Gerlach, seit 1829
Direktor des Land- und Stadtgereichts in Halle, auf Grund von
Kollegheften, die man ihm zur Verfügung gestellt hatte, in den
Nrn 5 u. 6 der Hengstenbergschen „Evangelischen Kirchenzeitung“
vom Jahre 1830 gegen Wegscheider und Gesenius jenen berüchtigten
Artikel über den „Rationalismus auf der Universität Halle“ schrieb.
Daß auch Gesenius angegriffen wurde, lag vermutlich nur an der
hervorragenden Stellung, die er in seiner Wissenschaft und an der
Hallischen Universität einnahm, und die ihn auch außerhalb seiner
eigentlichen Sphäre als das Haupt einer von ihm vertretenen Richtung
erscheinen ließ; schwerlich aber an seinem rationalistischen
Standpunkte, der, bei seiner versöhnlichen Sinnesart, weder in seinen
Schriften noch in seinem Lehrvortrage in ausgeprägter Weise hervortrat.
Wegscheider wurde befehdet wegen seiner natürlichen Erklärung
der Wunder, durch die ein Ekel an der Heiligen Schrift
entstehe. Zum Schluß wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß
die, welche es angehe, helfen möchten, durch Gebet, Wort und Tat
die Wunden zu heilen, die der Unglaube geschlagen oder zu schlagen
fortfahre. Wegscheider verwahrte sich gegen die zelotische Betriebsamkeit
seiner Gegner, in der Überzeugung, keinen seiner zahlreichen
Zuhörer durch sein System dem Reiche Gottes entfremdet zu haben,
und bat den Kultusminister Altenstein um Schutz „gegen die lichtscheuen
Umtriebe einer neuen jesuitischen Congregation, welche auf
die Vernichtung aller wissenschaftlichen Resultate der neuern theologischen
Forschung ausgehe“. Begünstigt durch die politischen Ereignisse,
gelang dem Minister eine friedliche Lösung. (Im Anschluß an
Redslobs Artikel „Gesenius“ in der ADB Bd 9, S. 89—93 und denjenigen
Franks über Wegscheider: ebenda Bd 41, S. 427—32.)
S. 268, Z. 38 — S. 269, Z. 2: Alle Teufel, meine Augen: Gutzkow
[usw.]: Ebenda Nr 120. 21 .Mai. „Literaturblatt“ Nr 20. S. 479—80:
Rezension von: „Kronen und Ketten. Historischer Roman von
Eduard Duller. Drei Bände. Frankfurt, Sauerländer. 1835.“ Der
ungenannte Verfasser ist Karl Gutzkow. (Die Besprechung findet
sich gekürzt in dessen „Beiträgen zur Geschichte der neuesten Literatur
“ Bd 1, Stuttgart, Batz 1836, S. 263—72.) Gutzkow lobt im
ersten Abschnitt, daß Duller auf „das ganze Surrogat der hergebrachten
poetischen Rektifikationsmittel“ verzichtet habe, daß er
nur „die einfache Thatsache der Geschichte“ habe geben wollen.
Der zweite beginnt mit den Sätzen: „Jedenfalls ist dies der richtige
Weg, um den historischen Roman wieder zu Ehren zu bringen, wenn
auch dem Verfasser der Kronen und Ketten sein Plan im

[Bd. b6, S. 647]

 


Ganzen und Großen nicht gelungen ist. Das Mißliche dieser vorliegenden
Reaktion gegen die alte Manier liegt in demselben Mangel,
der auch die chinesische Malerei nie auf eine Kunststufe erheben
wird, nämlich im fehlenden Schatten. Wenn man früher von Duller
gesagt hat, daß er Grau in Grau male, so thut er es hier Weiß
in Weiß: war er früher zu dunkel, so hat man hier nichts als Sonnenschein,
lauter Vorgrund, lauter Repräsentation, keine Abwechselung
der Farben .[...]“ Es folgt noch eine längere Kritik nach verschiedenen
anderen Gesichtspunkten; am Schlusse werden die „vielen
einzelnen Schönheiten“ genannt.
S. 269, Z. 2—4: p. 487 träumt ein Musikant vom [usw.]:
Ebenda Nr 118—22. 19.—23. Mai: „Träumereien über musikalische
Kritik. (Vorrede zu einem neuen Buch über Theorie der Musik.)“
Der ungenannte Verfasser ist F. L. K. v. Biedenfeld. Der Schluß des
Artikels beginnt (S. 487) mit dem Satze: „Da erklang in Italien
eines Jünglings Harfe, und ganz Italien lebte auf an diesen Klängen,
und die Alpen schüttelten bedenklich ihre eisbedeckten Rücken, und
Adria's Meer rauschte und wogte hinan zu den glückseligen Ufern,
der Zauberharfe Klang zu vernehmen, und die Waldumschatteten
Hügel des Appenin's säuselten und lispelten behaglich aufgeregt, und
alle Quellen und Bächlein murmelten und plätscherten freudig, wie
spielende Kinder, und stolzer und majestätischer wogten alle Ströme,
und alle Thale wiederholten in tausendfältigem schmerzlich wonnigem
Echo: 'oh patria!'“ — Grabbes Behauptung, der Apennin habe
zu seiner Zeit keine Wälder mehr gehabt, wird durch die folgenden
Angaben aus Nachschlagewerken widerlegt: „Die Apenninen sind bis
an die Gipfel mit Bäumen, besonders mit Kastanienbäumen, bewachsen
“. (Brockhaus' Conversations-Lexikon. 7. Aufl. 2. Abdruck.
Bd 1. 1830. S. 347.) „Der ganze Zug der Apenninen bildet ein
dürres, waldiges Hochland mit schroffen nackten Felsenzacken [...]“.
([Johann Daniel Ferdinand] Neigebaur, „Handbuch für Reisende
in Italien.“ 2. Aufl. Leipzig, Brockhaus 1833. S. 233.) „In den nördlichsten
Apen., an ihrer Verkettung mit den Alpen, krönen prächtige
Kastanienwälder das dürre Gestein und begleiten den Wanderer
über das Gebirge; so wie aber der eigenthümliche Apen.-Charakter
entschieden hervortritt, weichen sie den immergrünen Eichen (Quercus
Ilex), den Korkbäumen (Q. suber) und jenem langen Gürtel von
Olivenwaldungen, der von Nizza bis Reggio reicht, der
Schmuck u. zugleich der Reichthum des Landes.“ (Meyer's Conversations
-Lexicon. Original-Ausg. Bd 3. 1842. S. 357.) — Daneben
seien zwei Zeugnisse aus Reisebeschreibungen gestellt. Gotthilf Heinrich
Schubert, der Arzt und Naturforscher, schildert im zweiten
Bande seiner im Jahre 1827 unternommenen „Reise durch das südliche
Frankreich und durch Italien“ (Erlangen, Palm & Enke 1831),
und zwar in Abschnitt 6 („Reise von Genua nach Pisa“) die Wagenfahrt
von Sestri nach Spezzia. Dabei heißt es: „Dann zog sich
die Straße in das waldige Gebirge hinein, wo am Saum der Kastanienwälder,
neben dem wilden Diptam (Dictamnus albus) noch
manche schöne Zierpflanze unsrer Gärten einheimisch war. Ein hochgelegnes
Dorf mit stattlichem Kirchthurme, dann im Thal, durch
den grünenden Wiesengrund, ein klares Flüßlein und noch manche

[Bd. b6, S. 648]

 


andre Stelle der Art, welche wir diesen Vormittag sahen, hätte uns
wohl besser zu einer Stätte des Ausruhens und Verweilens gefallen,
als das schmutzige Borghetto, in welchem unser Vetturino Mittag
machte. Wir nahmen unser leichtes aus Brod und Wein bestehendes
Mittagsmahl im Wagen ein und machten uns dann auf, um recht
bald wieder die freie Luft des Gebirgsthales und seiner dickbelaubten
Wälder zu athmen. Ein ziemlich breites Flüßlein, jenseits des
Städtchens, ist in der Richtung der Straße ohne Brücke, doch gewähren
die hervorragenden Steine den Uebergang über das Wasser.
Der Weg gehet dann am rauschenden Gewässer, im engen, waldigen
Thal hin. In einem Dörflein, das unter Oelbäumen lag, erwarteten
wir den Wagen, verließen ihn aber, wo die Straße steiler bergan
gieng, von neuem. Da war denn, zwischen den Olivenwäldern der
Höhe, die hehre, reiche Aussicht hinab nach der Bucht von Spezzia
und nach den Inseln Palmaria, Tino und Tinello gefunden [...].“
(S. 182—83.) Und S. 189, bei der Fahrt nach dem Aufbruch von
Pietra santa im Gebiet von Lucca: „Bald nach Sonnenaufgang waren
wir an dem schönen, reichbewachsnen Berge, auf dessen Höhe die
Kapelle liegt, und stiegen da gern zu Fuße hinauf, durch die Olivenwälder
und die grünenden, wohlbestellten Gärten und Felder,
um die Aussicht von der Höhe, zurück nach den Bergen von Carrara
und hinab nach der vom Meer umsäumten Ebene zu genießen.“
Endlich gibt Karl Gustav Carus, „der unter seinen Verdiensten als
Gelehrter im allgemeinen und als bildender Künstler, in der Geburtshülfe
eine hervorragende Stellung einnimmt“ (ADB Bd 4, 1876,
S. 37), von seiner Fahrt durchs Apenninengebirge auf der Reise von
Bologna nach Florenz u. a. die folgende, „Firenze, den 19. April“
datierte Schilderung: „Bei Pietra mala ist endlich das eigentliche
Joch überschritten, und nun, indem sich der Weg wieder abwärts
senkt, werden die Bergwände wieder grüner; Kastanienwälder, jetzt
freilich noch blattlos, erscheinen, und weiter hinab beginnt Obstbaumzucht
und Cypressen.“ („Reise durch Deutschland, Italien und
die Schweitz im Jahre 1828.“ T. 1. Leipzig, Gerhard Fleischer 1835.
S. 95.)
S. 269, Z. 4—6: 488. Aus Berlin. Die Dampfw. u. Eisenb. spuken
[usw.]: Ebenda Nr 122. 23. Mai. S. 488: Die vorletzte Fortsetzung
von Theodor Mügges Bericht „Aus Berlin.“ Der letzte Absatz beginnt:
„Am meisten drehen sich jetzt die Gespräche der Berliner um
die bald anzulegenden Eisenbahnen und Seydelmann.
Dampfwagen und Eisenbahnen spuken jetzt ungeheuer, und die
Gewißheit, daß man ernstlich daran denkt, eine Bahn nach Potsdam,
die weiter nach Leipzig geführt werden soll, und eine andere nach
Hamburg anzulegen, bringt die Köpfe in Bewegung.“ — Die erste
Eisenbahn für den öffentlichen Verkehr ist im Jahre 1825 zwischen
Stockton und Darlington eröffnet worden, nachdem bereits seit 1805
Lokomotivmaschinen in der englischen Industrie im Gebrauch waren.
Es folgte die Strecke Liverpool-Manchester, deren Bau 1830 beendet
war. Im selben Jahre wurde in Österreich die erste Eisenbahn in
Verkehr genommen auf der Linie von Prag nach Lana, 1832 die,
jedoch nur mit Pferden betriebene von Budweis nach Linz. In
Deutschland blieben diese ersten Beispiele zunächst ohne Wirkung,

[Bd. b6, S. 649]

 


weil seit den Juliereignissen alles Interesse von den politischen Angelegenheiten
verbraucht wurde. Dort bewegte sich der erste von
Lokomotiven gezogene Zug am 7. Dezember 1835 — also wenige
Monate nach Grabbes sehnsüchtigen Worten — auf der von Paul
Denis erbauten Nürnberg-Fürther Bahn. Einundeinviertel Jahr später
eröffnete die Leipzig-Dresdner Bahn ihre erste Strecke. Die Berlin-Potsdamer
wurde am 22. September / 29. Oktober 1838, ihre Verlängerung
bis Magdeburg am 7. August / 15. September 1846 dem
Verkehr übergeben. Der vollständige Betrieb zwischen Berlin und
dem Bahnhof Magdeburg konnte erst zwei Jahre später, nach Vollendung
der langen Elbbrückenstrecke bei Magdeburg, aufgenommen
werden. Die Verbindung von dort nach Leipzig war bereits seit 1840
vorhanden. Die zwischen Berlin und Hamburg wurde gleichfalls
1846 erreicht. Vgl. „Die historische Entwickelung des Deutschen und
Deutsch-Oesterreichischen Eisenbahn-Netzes vom Jahre 1838 bis
1881.“ Hrsg. vom Königlich Preusssischen Statistischen Bureau. Bearb.
von Ernst Kühn. Th. 1 (= Zeitschrift des Königlich Preussischen
Statistischen Bureaus. Ergänzungsheft XII). Berlin 1883. S. V, 16,
19 u. 95.
S. 269, Z. 6 f.: Da entschuldigen Duller u. G. ihr [usw.]: Ebenda
Nr 123—24. 25. u. 26. Mai: „Gutzkow. — Die Gescheitelten. —
Die Emancipation der Liebe.“ Der ungenannte Verfasser ist Eduard
Duller. Es handelt sich um die Rezension von Gutzkows Vorrede zu
„Schleiermachers Vertrauten Briefen über die Lucinde“ (Hamburg,
Hoffmann u. Campe 1835). Sie beginnt folgendermaßen: „Gutzkow's
Vorrede zu Schleiermacher's vertrauten Briefen über die
Lucinde ist erschienen, und mit Recht als ein selbstständiges Werk
zu betrachten, welches sowohl durch seinen Inhalt, als auch durch
die verschiedenen Leidenschaften der Einzelnen, die es aufrüttelte,
zu wesentlich in die literarischen Zustände von heute eingreift, als
daß eine Ansicht darüber in diesen Blättern vermißt werden dürfte.
So seltsam es manchem vorkommen dürfte, wenn er einer solchen
im Literaturblatt zum Phönix begegnen würde, eben so sehr
würde es uns befremden, — und wir glauben, durch die Redlichkeit
unseres Strebens unsere Berechtigung zu einem solchen Zweifel
dargethan zu haben, — wenn Mißgünstige aus den nachfolgenden
Andeutungen etwa eine Art von Assurance mutuelle zwischen dem
Redacteur dieser Blätter und dem des Litteraturblatte[s] herausdeuteln
wollten; ein Streben nach dem Wahren, Guten und Edlen,
eine glühende Begeisterung dafür, dem ein eben so glühender Haß
gegen Scheinheiligkeit, Heuchelei und Orakelfabriken jeder Art entspricht,
sind vielleicht das einzige, was Beiden gemeinsam ist, während
jeder sonst seinen eigenen Weg voran und weiter geht, auf
welchem der Eine der Empfehlung oder Vertheidigung des Andern,
und so auch umgekehrt hoffentlich ohnehin nicht bedarf. An jedem
andern Orte und in jedem andern Zeitpunkte als gerade jetzt, da
der Phönix, — man kann es wohl ohne Arroganz aussprechen?! —
manchen Herren ungelegen kam, würde diese Vorbemerkung vermuthlich
überflüssig sein.“
  Es folgt 1) eine Charakteristik von zwei Klassen von Leuten,
die sich über die Vorrede Gutzkows ganz besonders ärgerten, 2)

[Bd. b6, S. 650]

 


eine Würdigung ihrer Hauptgedanken auf sehr breiter Grundlage,
3) einiger Tadel gegen den Autor. — Die „Gescheitelten“ ist in
dieser Vorrede eine Bezeichnung für die Pfaffen.
S. 269, Z. 7 f.: 496 über die Bilderbibeln sehr wahr: Ebenda
Nr 124—25. 26. u. 27: Mai. „Bilderbibeln.“ Der ungenannte Verfasser
ist Hans Ferdinand Maßmann. Er beginnt mit der Bemerkung,
daß einer ganzen Reihe von Prachtbibeln, die in neuerer
Zeit in Menge auf den Markt gebracht würden, der Beigeschmack
buchhändlerischer Beutemacherei anhafte. Er fährt fort: „Derselbe
Verdacht nun fällt auf die Bilder-Bibeln, um so mehr, als ihre
Prüfung vor ernster Kunstschau nicht Stich hält, wobei wir zunächst
die deutsche Bilder-Spekulation im Auge haben. Die Hildburghauser
und Karlsruher Prachtbibeln begnügen sich an größeren Kupferstichen
und Steindrücken zu den heftweisen Lieferungen (die
Bibel in Heften à la Rotteck, Oken, Vollrath Hoffmann! Ein vortrefflicher
Gedanke der Neuzeit!); Metzler in Stuttgard aber
bietet uns so eben 'dreihundert bis dreihundert fünfzig
Holzstiche durch vorzügliche Meister Deutschlands,
Englands und Frankreichs in seiner Bilderbibel dar. Natürlich
meist nur unschwärzere, unschärfere Abklatsche der fremden
Holzschnitte, wie die eben gleichzeitig erscheinende französische
Bilderbibel beweist. Aber nicht nur, daß die 33 Abbildungen der
ersten Metzlerischen Lieferung durch die Dreiländerwirtschaft das
Unangenehme der verschiedensten Größe in den Abbildungen, die
auch gar keine beruhigende Umrandung haben, an sich tragen; so
geben sie, was wesentlich schlimmer ist, durch die Zeichnungen und
Abklatsche dreier in ihrem Kunstgeschmack so sehr verschiedenen
Länder und Völker eine zu bunte Mischung des Styls, der Erfindung
und Ausführung. Hier paradiesische Talma's, dort
englisirte Abraham's, und dazwischen ehrliche, Altengland oder Neufrankreich
plump nachäffende, deutsche Cain's, endlich hölzerne
Herrgötter in den Wolken. Wahrlich ein, wenn künstlerischer Ernst
prüft, nicht nur verfehltes, sondern verwerfliches Spekulations-Unternehmen.
“ (S .496.) Darauf werden noch andere Ausgaben von
Bilderbibeln kritisch gemustert.
S. 269, Z. 9—13: p. 500. Das Ballet nicht verachtet [usw.]: Ebenda
Nr 125. 27. Mai. S. 500: Die Rubrik „Buntes“ beginnt mit
einer Notiz aus „Frankfurt. [Von Eduard Duller.]“ Darin heißt es:
„Die Tänzerfamilie Amiot gab einige Gastspiele. Diese Leute sehen
graziös aus, besonders die Mädchen. Deßungeachtet halte ich das
Ballet nicht bloß für den Spaßmacher nach der Leiche — des guten
Geschmacks, sondern für eine privilegirte Immoralität. Man sollte
es eigentlich von Regierungswegen verbieten; denn die Leute könnten
ebensogut von Anfang her was Besseres lernen und ihr Brot
verdienen. Ach aber, wozu nutzen alle diese Jeremiaden, so lange
man statt auf den Schönheitssinn, auf die Sinnlichkeit spekuliren
darf. —“
S. 269, Z. 14 f.: Irving hat nicht viel Grütz' im Kopf [usw.]:
Ebenda. An die Dullersche Notiz schließt sich an: „Eine Indianische
Sage“, unterzeichnet: „(Irving's Steppenreise.)“ — Die Stelle findet
sich in der Original-Ausgabe („Miscellanies. By the author of

[Bd. b6, S. 651]

 


'The Sketch-Book.' No I. Containing A Tour on the Prairies.“
London, Murray 1835.), und zwar im 27. Kapitel, S. 250—53.
S. 269, Z. 16 f.: nr. 127 Winter und Frühling abscheulich [usw.]:
Ebenda Nr 127. 20. Mai: Darin steht S. 505 folgendes Gedicht
Eduard Dullers:
Winter und Frühling.
I.
Was blei't auf meinen Nacken?
Was ringelt klapperbeinig
Wie glatte kalte Haken
Um Hals und Brust mir? — Wie Polypen, — mein' ich, —
Saugt sich's in mich mit tausend klebrigen Lippen;
Es schwillt und würgt, mit Wollust recht zu nippen,
Heraufgeschlürft aus seinem tiefsten Borne,
Des Herzbluts Tropfen! — Hier, aus heißer Stirne
Spinnt es vom fiebernden Gehirne,
Als wie an einem glüh'nden Eisendorne
In wilden, geilen, wirren kranken
Die männlich zeugenden Gedanken.
So sitz' ich, Alp-umklammert,
Den feuchten Pfühl zerwühlend,
Geistig verkatzenjammert,
Gedanken zerdenkend, in's Chaos hinein mich zerfühlend.
Was? Hämmert an dieß Herz nicht kräft'ges Wollen?
Weh! ungeboren es schon tödten sollen!
Lebend einsargen müssen keimende Saaten!
Ja! mich erstickt's. Vielfachen Mord verschuld' ich
Durch dieses hünd'sche Wort: „Geduldig,“ —
Erd' überwühlend frisch entsproßnen Saaten.
Thor! wähnst du: deine Thränen reinen
Den blut'gen Fluch, — den allgemeinen?
II.
Und drückt die Ohnmacht dich als Alp',
Und denkst und bejammerst du dich als Knecht,
Du Mondkalb, ekle Mißgestalt,
Thor oder Schuft, — dir wird dein Recht!
Deine vier Wände frazzen dich an,
Und die gelben, verblindeten Fenster.
Hast zwei Hände, zehn Finger d'ran
Und wandelst herum wie Gespenster, —
Stoß die Faust in das schillrige Glas,
D'ran nur der Schmutz dir — Gitter malt!
Reiß' aus den Angeln, den rostigen,
Deinen alten Esel, den frostigen.

[Bd. b6, S. 652]

 


In des Morgenroths Flamme stürze hinein,
Bis sie verzehrt deine Thiergestalt;
Und dann in's frische wogende Gras,
In's thauige, wollust-feuchte!
D'rin wie Johanniskäferlein —
Leuchte!
S. 269, Z. 18 f.: p. 507 wird der Main, nicht zum Druck [usw.]:
Ebenda S. 507—08: „Notizen über römische Alterthümer am Rhein
und an der Mosel. [Von Dr. Reiß in Mainz.]“ Der Aufsatz beginnt:
„1) Ueber die alte Mündung des Mains in der
Römerzeit — welche Mündung Hr. Hofrath Steiner
bei Bauschheim sucht — macht dieser treffliche Alterthumsforscher
folgende Bemerkungen, die das Gepräge der Wahrscheinlichkeit tragen:
[...]“. — Die Quelle für diese Notiz ist die „Geschichte und
Topographie des Maingebietes und Spessarts unter den Römern, zugleich
Wegweiser für Reisende, und Beitrag zum Studium römischer
Rechts[-] und Militäralterthümer“ von Hofrat Dr. [Johann Wilhelm
Christian] Steiner. (Darmstadt, auf Kosten des Verfassers.
[Heidelberg, Oßwald.] 1834.) Der Verfasser schickt in § 17 der
Topographie des römischen Maingebietes einige Bemerkungen über
die alte Mündung des Mains voraus, „welche höchst wahrscheinlich
bei Bauschheim stattfand.“ (S. 128.) Er fragt sich, ob diese Mündung
zu Römerzeiten existiert habe, hält sich aber, so lange darüber nicht
„genauere Untersuchungen“ angestellt seien, nur für befugt, auch dies
für „höchst wahrscheinlich“ zu halten und im übrigen dies Problem
einstweilen Kennern und Lokalkundigen zur Prüfung zu übergeben.
(S. 129—30.) Es handelt sich also, wie man sieht, lediglich um eine
Hypothese. Davon, daß diese späterhin irgendwie ernsthaft beachtet
worden wäre, hat keine Spur entdeckt werden können. Bereits in
der, 1841—44 (in Mainz auf Kosten des Verfassers) erschienenen
„Geschichte der Stadt Mainz“ von Karl Anton Schaab wird, an den
in Betracht kommenden Stellen des ersten Bandes, Steiners Name
überhaupt nicht genannt, und auf S. 132 von dem, dem ältesten
Mainz „gegenüber einfließenden Main“ gesprochen. Vgl. dazu: Albert
Ulrici, „Das Maingebiet in seiner natürlichen Beschaffenheit und
deren Rückwirkung auf die Geschichte, namentlich die Besiedelung
und Kultur des Mainlandes“ (= Dritter Jahresbericht des Vereins
für Erndkunde zu Cassel. Cassel, Kessler 1886), wo sich auf S. 72
ebenfalls Grabbes Ansicht von der Lage der alten Mainmündung
bestätigt findet.
  Was den Namen der Stadt anlangt, so hieß Mainz bei den Römern
'Mogontiacum'. Daneben sind die Formen 'Mogontiacus', 'Magontiacum',
'Magontiacus', 'Magantiacum', 'Magantia' und 'Maguntia' belegt;
niemals aber die von Grabbe gebrauchte 'Moguntiacum'. Es
gibt einen römischen Grabstein, auf dem dieser Name erscheint, und
auch zwei Forscher, Fuchs und Lehne, die gemeint haben, es handle
sich da gleichfalls um Mainz. Schaab aber weist (a.a.O. S. 116—17)
diese Ansicht zurück, mit dem Bemerken, daß hier fraglos eine
Verwechslung mit Monza vorliege, wo der Stein sich stets befunden
habe.

[Bd. b6, S. 653]

 


S. 269, Z. 20: Nr. 3 des Intellbl. für ohngefähr: beiläufig: Im
„Intelligenz-Blatt zum Phönix“ Nr 3 kündigt Johann David Sauerländer
in Frankfurt an erster Stelle an: „Victor Hugo's sämmtliche
Werke. Deutsch von [Johann Valentin] Adrian, Dr. [Eduard] Beurmann,
G.[eorg] Büchner, H.[einrich] Didier, E.[duard] Duller,
H.[einrich] Laube, A.[ugust] Lewald, W.[ilhelm] Wagner, O.[scar]
L.[udwig] B.[ernhard] Wolff und Andern. Nebst einleitender Biographie
und Charakteristik von Karl Gutzkow. Mit dem Bildniß und
einem Fac-Simile des Verfassers. Wohlfeile Taschenausgabe in beiläufig
12 Bänden auf Velin- und Druckpapier.“ Den Westfalen
mußte der Gebrauch von 'beiläufig' im Sinne von 'ungefähr' befremden,
da er nur im oberdeutschen Raume heimisch ist.
S. 269, Z. 21—25: Isabeau von Baiern, Isabella, ist eine Sünde von
Schiller [usw.]: Ebenda S. [2] findet sich die Anzeige des Dullerschen
Romans „Kronen und Ketten“. In der kurzen, mit „-r.“ unterzeichneten
Inhaltsangabe werden Isabeau von Baiern und deren Gemahl
Carl VI. genannt. — Isabeaus Schönheit war in der Tat so bezwingend,
daß Karl VI., dem am 14. Juli 1385 die damals erst fünfzehnjährige
Tochter Herzog Stephans III. von Bayern — sie ist wahrscheinlich
in einem der ersten Monate des Jahres 1370 geboren —
im bischöflichen Palaste zu Amiens zugeführt wurde, auf die Frage
des Sire de la Rivière: „sera-t-elle Reine de France?“ sofort erklärte:
„Par ma foi, oïl, nous ne voulons autre, et dites à mon oncle de
Bourgogne, pour Dieu, que on s'en délivre“. (Marcell Thibault,
„Isabeau de Bavière reine de France. La Jeunesse 1370—1405.“ Paris,
Didier 1903. S. 57.) Ihr Einzug in Paris, zugleich das Fest ihrer Salbung,
fand am 22. August 1389 statt, und Thibault schildert nun,
wie auf der Rue Saint-Denis une „foule énorme, impatiente, houleuse
“ stundenlang auf die Königin wartete (a.a.O. S. 140), und
fährt dann fort: „Isabeau s'annonce au milieu d'une immense explosion
d'enthousiasme; son attelage va maintenant tout souef le pas»,
entre deux haies épaisses d'êtres humains.“ (A.a.O. S. 141.) 1 — Vgl.
auch die ausführliche Schilderung der Einzugsfeierlichkeiten, und wie
die fremde Schönheit Isabeaus auf die Pariser wirkte, in Alexandre
Dumas' Werke „Isabel de Bavière. Règne de Charles VI.“ (2 Bde.
Bruxelles, Ad. Wahlen 1835.), Bd 1. S. 11—35. — Karl VI. ist später
in unheilbaren Blödsinn verfallen, und darauf die Königin die Geliebte
ihres Schwagers, des Herzog Ludwig von Orleans, geworden.

[Bd. b6, S. 654]

 


S. 269, Z. 26—28: Vom Faust? Das beste ist noch die Marionettencomödie
[usw.]: Ebenda Nr 129 u. 131. 2. u. 4. Juni: In der
Rubrik „Buntes“ teilt L.[udwig] B.[echstein] als „Theatralisches Curiosum
“, nach einer einleitenden Vorbemerkung über Faustliteratur,
Schriften über Goethes Faust, neuere Bearbeitungen des Fauststoffes
u.s.w., Szenarium und Inhalt einer Oper mit Ballet „Doctor Faust“
mit, die Ende des siebzehnten oder Anfang des achtzehnten Jahrhunderts
auf dem Kärntnerthor-Theater in Wien aufgeführt worden ist.
S. 269, Z. 28 f.: p. 527 Stanzen auf Stanzen [usw.]: Ebenda Nr
132. 5. Juni. „Literatur-Blatt“ Nr 22. S. 527: [Karl Gutzkows] Rezension
(Nr 67) der Schrift „Stanzen auf Stanzen. Wider Herrn
Albert Knapp[, Herausgeber der Christoterpe], die Verdammung
Göthe's betreffend, von Chr.[istian] Wurm. Nürnberg, Schrag. 1835.“
Knapp hatte Goethen zum Vorwurfe gemacht, „daß er Christus nie
besungen habe, und zwar jenen prekären Christus, der als der Logos
Demiurgos die Alpen errichtet hat und der Sonne ihre Flammen gibt,
wie der Herausgeber der Christoterpe glaubt.“
  Knapps Gedicht „Auf Göthe's Hingang. 28. März 1832.“ steht in:
„Christoterpe. Ein Taschenbuch für christliche Leser auf das Jahr
1833.“ (Tübingen, Osiander.) S. 16—39. (Auch gesondert „Als Manuscript
für Freunde“. Elberfeld, Hassel 1832.)
S. 269, Z. 30—32: Byron war ein großer Kerl [usw.]: Ebenda
Nr 132. „Literatur-Blatt“ Nr 22. 5. Juni. S. 528: [Karl Gutzkows]
Rezension (Nr 69) der „Gedichte eines Materialisten [d. i. Carl Robe].
Meißen, Goedsche. 1835.“ Sie beginnt: „Der Verfasser dieser
Gedichte sagt es selbst, daß er sich zu Byron wie eine Auster verhalte.

S. 269, Z. 32: 535 besingt ein Esel eine Eselin: Ebenda Nr 134.
9. Juni. S. 535—36: Dort steht folgendes Gedicht:
      Die Eselin zu Verona.
      O Eselin, o Eselin,
      Wie hält man dich in Ehren!
      Das kann die Chronik und Legend
      Am besten jeden lehren.
      Exempli causa führ' ich an,
      Die Es'lin zu Verona.
      Ein frommer Seher trieb sie einst,
      Von Salem auf die Auen,
      Auf daß die Gläub'gen allzumal
      Die Es'lin möchten schauen.
      Drob lief die Es'lin hin und her,
      Die Es'lin zu Verona.
      In Palästina zog sie lang,
      Doch ohne viel Spektakel,
      D'rum suchte sie die Fremde auf,
      Dort ward sie ein Mirakel,
      Dort sah man sie im Glorienschein,
      Die Es'lin zu Verona.

[Bd. b6, S. 655]

 


      Wie es geschah, das weiß ich nicht,
      Sie sah viel Länder und Meere
      Und, wo sie hinkam, erzählt man sich
      Gar manche Wundermähre,
      Die Pfaffen und Mönche kennen genau
      Die Es'lin zu Verona.
      Der Adler, der die Blitze trug,
      Dem alten Griechengotte,
      Der war nur eitel Priestertrug,
      D'rum fraß ihn Wurm und Motte,
      Doch nicht also die Eselin,
      Die Es'lin zu Verona.
      Man zeigt noch heute ihr Skelett
      In großen Prozessionen,
      Die todte Es'lin reichverziert,
      Mit Goldgeschmeid und Kronen;
      Drum lob' ich mir die Eselin,
      Die Es'lin zu Verona.
                    Ludwig Wihl.
S. 269, Z. 33: Ueberall das Paris [usw.]: Ebenda Nr 133—43.
6.—19. Juni: „Charakter-Gemälde aus Paris. Von Ed.[uard] Kolloff.
“ — Nr 133—35. 6.—10. Juni: „Pariser Theaterschau. [Von
demselben.]“
S. 269, Z. 34 f.: Morgenbl. Gleich bessere Luft [usw.]: „Morgenblatt.“
Nr 130. 1. Juni. S. 517—18: „Aus dem Volksbüchlein [von
Ludwig Aurbacher].“ Der Aufsatz beginnt: „Das bekannte Volksbüchlein,
enthaltend die Geschichte des ewigen Juden, die Abenteuer
der sieben Schwaben, nebst vielen andern erbaulichen und ergötzlichen
Historien, wird nächstens in der literarisch-artistischen Anstalt
der I. G. Cotta'schen Buchhandlung in einer neuen, bedeutend
vermehrten Auflage erscheinen.“
S. 269, Z. 35—37: „Wir springen von den Säugethieren [usw.]:
Ebenda S. 518: An den soeben genannten Aufsatz schließt sich der
dritte Artikel des „Mancherlei über die Pflanzen- und Thierwelt im
alten und neuen Deutschland“ an. Er beginnt mit der, in der Tat
nicht sehr glücklichen Wendung: „Wir springen von den Säugethieren
zu den beweglichen, im Reich des Klanges lebenden und klangreichen,
gefiederten Geschöpfen über [...].“
S. 269, Z. 38—41: Daß Dampfschiffe, dann Luftschiffe [usw.]:
Ebenda Nr 130—31. 1. u. 2. Juni: „Korrespondenz-Nachrichten.
Londen, Mai. [Unterz.:] W. S.“ Der erste, an den soeben erwähnten
Anfang des dritten Artikels des „Mancherlei“ sich anschließende Teil
(S. 520) ist überschrieben: „Außerordentlicher Aufschwung der
Dampfschifffahrt.“ Darin heißt es, beim Übergang von der ersten
zur zweiten Spalte: „Unter den gerühmten Ueberfahrtsmitteln stehen
natürlich die Dampfschiffe oben an, und in der That wird unter
den englischen Schiffern, Fischern, Bootführern und Seeleuten nach
und nach die Besorgniß rege, daß die Dampfboote alle übrige Schifffahrt
vernichten, und besonders den Verdienst der sogenannten Wassermänner

[Bd. b6, S. 656]

 


in London auf Null bringen werden. Diese Besorgniß ist
keine leere.“
S. 270, Z. 1—3: 132. O Pyrker. Da du diese Gedichte [usw.]:
Ebenda Nr 132. 3. Juni S. 525—26: „Gedichte von J.[ohann]
L.[adislav] Pyrker.“ Es sind folgende:
      Meine Berge.
      Seh' ich euch dort in nebelgrauer Ferne,
        Emporgethürmt in's blaue Himmelszelt,
      Und, nun vom Mond, im milden Glanz der Sterne,
        Nun von dem Gluthenstrahl der Sonn' erhellt,
      Mir winken — o, wie zög' ich da so gerne
        Zu euch; das Herz pocht auf, die Thräne fällt,
      Ergriffen senkt der Geist die regen Schwingen,
      Und heiß vor Sehnsucht will die Brust zerspringen!
      Oft wandelt' ich auf euren Alpenräumen
        Im jugendlichen Herzensmuthe hin;
      Was Sterbliche sich sonst von Glücke träumen,
         Ward dann mir stets zum sicheren Gewinn:
      Denn jedem Gräschen sah ich es entkeimen,
        Und hob's an meine Brust mit frohem Sinn;
      Entrückt der Ebne qualmbeladnen Triften,
      Fühlt' ich mich frei in euern freiern Lüften.
      So schwand mir dort der Abend, so der Morgen
        In ihrer hehren Stunden goldnem Schein,
      Vor jedem herben Lebenszwang geborgen,
         Jauchzt' ich laut auf — die ganze Welt war mein!
      Nun kommt die Nacht mit ihrem Grau'n und Sorgen,
        Der Pilger steht auf öder Wüst' allein:
      Nicht können ihn, wie sonst in Jugendtagen,
      Zu euch empor die müden Füße tragen.
      Meine Bäume.
      Ich liebt' euch stets, ihr hochgethürmten Bäume,
        In eurer stillerhab'nen Majestät;
      Ihr ragt empor in saphirblaue Räume,
        Wo frei des Aethers reiner Odem weht;
      Ich liebt' euch stets, und meiner Jugend Träume
        Nah'n mir in holdem Licht auch jezt noch spät,
      Mit all den süßen, wonnevollen Stunden,
      Die mir vor euch so selig hingeschwunden.
      Noch weil' ich freudig auf des Berges Höhen
        Bei euch: die Welt täuscht oft — Natur ist treu!
      Die rege Brust wird still bei eurem Wehen,
        Und fühlt sich bald von jeder Bürde frei;
      Denn lieblich ist es, dort sich zu ergehen
        In munt'rer Vögel jubelndem Geschrei,
      Zu seh'n im Thal die Abendlandschaft glühen,
      Und über euch die ersten Sterne sprühen.

[Bd. b6, S. 657]

 


      Doch rast' ich, kehrend, dann, ihr Doppellinden,
        Die ihr des Friedhofs stille Pforte schmückt,
      Bei euch noch aus — da scheint mein Stern zu schwinden;
        Der lebensmüde Pilger sizt gebückt,
      Er glaubt sich endlich an dem Ziel zu finden,
        Das ihn des Schicksals Pfeilen mild entrückt,
      Und möcht', entschlummert, dort in's bess're Leben,
      Von eurem Duft umhaucht, hinüberschweben.
  Pyrker war zuletzt Erzbischof von Erlau. 1819 erschien seine „Tunisias“
, ein Heldengedicht in zwölf Gesängen, das die Eroberung von
Tunis durch Karl V. zum Gegensande hat.
S. 270, Z. 4 f.: Lyons Wassersystem dummes Zeug [usw.]: Ebenda
Nr 132—34. 3.—5. Juni: „Korrespondenz-Nachrichten. Lyon, Mai.“
Sie handeln zunächst über „Lyons Wassersystem“. Der Verfasser gibt
einen geschichtlichen Überblick über die Wasserversorgung der Stadt
und berichtet sodann, daß sich in der akut gewordenen Angelegenheit
zwei Ansichten gegenüberstünden, deren eine für die Benutzung der
Quellen des die Stadt umgebenden Plateaus eintrete, während die
andere rate, die geforderte Wassermenge durch Dampfmaschinen aus
der Rhone in die Stadt zu treiben. — Aus einer Lyoner Korrespondenz
vom Oktober 1844 (in Nr 269 des „Morgenblattes“ vom
8. November 1844, S. 1076) ergibt sich, daß schließlich weder die eine
noch die andere Ansicht durchgedrungen ist, daß man vielmehr das
Problem der Wasserversorgung der Stadt durch die Vereinigung und
Herbeileitung der Royesquellen gelöst hat. — Zu Grabbes männlichem
Gebrauche des Flußnamens vgl. Verweis zum Kommentar S. 268, Z. 3—5 sowie die Verweis zum Kommentar Anmerkung
dazu.
S. 270, Z. 6—10: Lamartine ist ein Schwatzer [usw.]: Ebenda Nr
139—40. 11. u. 12. Juni. „Gethsemane, oder der Tod Julia's. Von
Lamartine. Uebersezt von G.[ustav] Schwab.“ Die Probe ist Lamartines
„Reise in den Orient“, Bd 2 (Stuttgart, Metzler 1835) entnommen.
Von den 24 Strophen lauten die ersten drei so:
      Von Mutterbusen an war ich ein Kind des Schmerzens,
      Die Thräne statt des Bluts in meinen Adern quillt,
      Und selbst nicht diese mehr, die Zähren meines Herzens,
      Versteinert hat sie Gott, sie flossen ihm zu mild.
      Mein Honig ist das Salz, die Trauer meine Freude,
      Ein brüderlich Gefühl zieht mich zu jeder Gruft;
      Es fesselt mich kein Weg, wo nicht ein Bild von Leide,
        Ein Bild mir von Zerstörung ruft.
      Seh ich ein grünend Feld, und drüber Himmelshelle,
      Ein sanftes Thal, das Meer im aufgeschloss'nen Arm,
      Vorüber eil' ich dann! das ist nicht meine Stelle,
      Das ist ein Platz für Glück, sprech' ich in bittrem Harm.
      Nur wo man seufzet, hallt's in meinem Geiste wieder,
      Mein Herz ist nur zu Haus, da wo geweinet ward.
      Am liebsten leg' ich mich auf einen Boden nieder,
        Wenn er von Asch' und Thränen hart.

[Bd. b6, S. 658]

 


      Und fraget ihr warum? ich könnt' es euch nicht sagen,
      Es schlüge wild empor des bittern Abgrunds Schmerz,
      Und Schluchzen fände nur mein Mund anstatt der Klagen,
      Doch wenn ihr lesen wollt, so reiss' ich auf mein Herz.
      In jede Fiber ist des Mordes Dolch gedrungen,
      Und ihre Zuckung quält im lezten Kampf sich ab;
      Ein Kirchhof ist mein Herz, der Todte gnug verschlungen,
        Mein ganzes Wesen ist ein Grab.
S. 270, Z. 11—13: Die litt. Unterh. 691. Warschau tritt
[usw.]: „Blätter für literarische Unterhaltung“ Nr 167. 16. Juni. S.
691—92: „Literarische Nachrichten aus Polen. [Unterz.:] 26.“ Sie
beginnen: „Warschau scheint in literarischer Rücksicht immer mehr
in den Hintergrund zu treten; unsers Wissens ist seit einem Jahre
auch nicht Ein Werk von Bedeutung von hier ausgegangen.“


   1) Wukadinović hat diese Stelle in seiner Anmerkung zu WW VI
156, 29 mißverstanden. Grabbe bemängelt, wie auch das Folgende
klar ergibt, nicht Schillers Namengebung, sondern seine Gestaltung
des Charakters der Königin. Auch sonst gibt sein Kommentar von
den Namensverhältnissen kein einwandfreies Bild. Als bayerische
Prinzessin hieß die Königin Elisabeth (nicht Isabella). Die französische
Form dieses Namens ist Isabelle, nach damaliger Schreibung
Isabel, oder Ysabel, wie die Königin selbst sich unterzeichnet hat. Im
Jahre 1406 ist dafür zum ersten Male die Form Isabeau angewendet
worden. Während des fünfzehnten Jahrhunderts hat sich dieser Gebrauch
gefestigt und ist bis heute der herrschende geblieben. (Thibault,
a.a.O. S. 65.)