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Nr. 580, siehe GAA, Bd. VI, S. 218nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief

                    G. Pm.

  Gestern 10 Uhr Morgens schickt' ich die Recension des
Blaubart zu Schreiner. Ich rechnete, daß Lisette inclusive der
Liebes- und Gassengespräche 12 Uhr da ankommen würde.
25Es ist aber doch später geworden, und Runkel kam Nachmittags
zu mir, war sichtbar freudig, erklärte jedoch er könne
erst im nächsten Sonntagstück das Dings abdrucken lassen,
indem sein Hermann keine Zeit mehr dazu habe, weil er um
4 Uhr in die Censur müsse. Zu Schreiner schickt' ich's, weil
30Runkel dort am sichersten zu treffen, er auch wohl rechter
Verleger des Herm. ist.

  Hierbei der alte Fritz. Da ist eine Größe, die auch des
Preuß mittelmäßige Darstellung nicht verdunkeln kann. Auch
verdient er immer Dank für das reich, aber immer noch zu
35auswählerisch gesammelte Material. Man kann das Uebrige
logisch schließen, ich glaube indeß, nur wenige thun's.

  Tief in Africa, mitten auf dem Niger, sind jetzt die englischen
Dampfboote! Welch ein unermeßliches Ereigniß! Mich
freut, daß ich gleich dachte, so kommt's. Fast traut' ich der

[GAA, Bd. VI, S. 219]

 


mir gestern vor Augen gekommenen Nachricht nicht, aber
England und Shakspeare sind kühn und practisch.

  Mein Hannibal wird jetzt lustig fortgedruckt. Pto der
Theaterabhandlung, die Schreiner zugleich mit Hannibal und
5Aschenbrödel verschicken will nach 14 Tagen (er hat, wie er
sagt, auf Hannibal schon gute Bestellungen) bitt' ich noch für
heute Frist. Ich thue nichts anderes als an ihr arbeiten und
diesen Brief schreiben, Essen und Trinken einschließlich. Ich
habe wegen der Rec. des Blaubart und wiederholten Durchlesung
10des Alexis, scheinbar Zeit verloren, in der That gewonnen.


  An meinem Hause ist ein Weg zum Einfahren. Der gehört
mir und meiner Frau. Gegenüber, an ihm, zog eine Frau
von Arnim ein. Sie wünschte an ihm ein Fenster in ihrem
15Hause anlegen zu dürfen, indem das nicht seyn durfte, weil
ich dominus der auf ihrem Hause lastenden Servitus luminum
ect war. Meine Frau wollt's auch nicht. Ich erlaubte es doch,
und es ist mir lieb, denn diese von Arnim ist nicht die Bettine
Arnim, sondern tausendmal schätzbarer.

20  Ich habe bei dem Briefwechsel der Bettine an Menschenkenntniß
gewonnen, Sie oder ich könnten so ein Geschöpf
einmal für's Drama gebrauchen. Aber meine Verachtung gegen
es selbst kann ich nicht verschweigen. Goethe hat kurz geantwortet,
das ist das Beste im Buch, sonst alles Lüge, Erbärmlichkeit.
25Die paar Naturschilderungen kann man sich machen,
wenn man aus dem Fenster sieht, auch ist das ein Arnimsches
Talent, wie Achim v. A. besser als Bettine bewiesen. Die ekelhafte
Kinderliebe und Afferei. Meine feste Ueberzeugung, daß
wegen Honorars und Rennomée's Briefe unterschlagen und verstellt,
30ja jetzt gemacht sind. Umsonst nicht hat sie dem ehrlichen
Müller kein Original zeigen wollen. Und ich glaube fast, der
Reisebeschreiber, welcher das Wesergebirg übersah, und bisweilen
gute, dann trübe Stutzeraugen hat, Pückler-Muskau,
hat geholfen. Das Buch ist ihm ja gewidmet und riecht nach
35seiner Manier. Er liebt Honorare, vielleicht auch getheilte?
Eine Cabinetsordre Fr. II (man wird gerührt, wenn man
von diesen zu dem aufblickt) und der von der Huber herausgegebene
Briefwechsel G. Forsters insd mehr werth als alles
gedruckte Briefwechseleizeug zwischen Goethe und Schiller,
40v. d. Velde u. Hell, Sevigné, Rabutin, Bettine. Am Ende gibt
man noch in Holzschnitten alte Recepte ect heraus.

[GAA, Bd. VI, S. 220]

 


  Was will heut die Stella von 28 im Hermann? Ich denke,
weißt nicht.

[Düsseldorf.] 8. Mai 35.Gehorsamst

Grabbe.

 

 
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