Nr. 58, siehe GAA, Bd. V, S. 62 | 18. Februar 1823 | | Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Berlin) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Christian! Deinen Brief, den 13ten zur Post, datirt den 14ten Febr 1821 haben wir den 16ten Febr. 1823 richtig erhalten und freuen uns daß Du gesund bist. Wir sind es auch noch, so 5weit es unser Alter erlaubet. Die Mutter hat sich gefreuet, aber sie sagt in Berlin müßte das Papier außerordentlich rar sein, weil Dein Brief nur aus drei Blättchen Papier wäre. Anbei erfolgen, wie versprochen, die letzten 10 Pistolen die wir in unserm Vermögen haben. Wir haben unser Versprechen, 10glaube ich, daß Du 3 Jahre auf Universitäten nothdürftig erhalten werden solltest, gehalten. Wir können nichts mehr als Eltern thun. Sobald die Ferien in Berlin angehen, wirst Du dann abreisen und hierherkommen, und besonders empfiehlt Dir Deine Mutter, 15daß Du ja alle Deine Sachen genau zusammensuchen möchtest, und im Koffer würden Deine Bücher Wäsche p besonders letztere, die Dir Deine Mutter nicht wieder ersetzen kann, zusammen in Linnen, oder Kisten p einpacken und vorausschicken. In den Koffer, kannst Du hereinpacken, was 20darinn will, und damit auf der Post hieher kommen, weil Du als Pagagier 50 bis 60 Pfd frei hast. Deine Mutter und ich glauben, da Deine 3 Studien Jahr diesen Ostern um sind, daß Du Dich hier examiniren läßt, und daß Du Deinen Examen gut aushalten wirst, daran 25zweifeln wir keinen Augenblick. Vielleicht brauchst Du nicht lange, ohne Verdienst hier zu arbeiten, wenn Du auch keine große Neigung zur Advokatur hast. Balhorn und p Pestri examiniren die jungen Candidaten der Jurisprudenz und sind beide gute Männer, obschon sie manchen nicht nach ihren 30Gedanken und Sinne handeln. Wer hat seine Neider und Verfolger nicht. Wenn Du hier auch gleich keine Anstellung erhalten solltest, so hast Du doch den Vortheil, daß Dich Deine Mutter hier, so wie es unsere Küche vermag, mit Essen, auch Deine Wäsche versorgen kann. Und wenn Du 35anders was zu schreiben oder zu corespondiren hast, da haben wir Posten für die alles und gut besorgen. Neues ist hier nichts seit Deinem letzten Schreiben paßirt, als der Amtsvogt Falkmann in Lage ist todt. Der Amtsrath Bornemann geht wirklich mit seinem Amte nach Lage. Unser Nachbar Peter 40ist auch todt. [GAA, Bd. V, S. 63] Ich weis nichts neues mehr, als die Mutter empfiehlt Dir nochmal alle Deine Sachen gut in acht zu nehmen und daß Du nichts liegen läßt sie weis Dein ganzes Inventarium aus dem Kopf u. wenn Du Deine Bücher p nicht in Paquet 5machen kannst, so mach zwei daraus und schicke sie nur unfrankirt hieher. Den Koffer kannst Du aber wegen Bequemlichkeit p bei Dir auf der Post behalten und wenn Du mit der Post fährst so sei ja vorsichtig. Vor Mitte März werden die Ferien in Berlin wol nicht angehen, und unter 10der Zeit kannst Du noch einmal wenigsten schreiben. Lebwohl viele Tausend Grüße von Deiner Mutter u. sie umarmt Dich schon in Gedanken u. freuet sich auf Deine Zuhausekunft. Leb wol Detmold den 18ten Febr. 1823. | | | Wenn Du advokatisirst, so will ich Dein Abschreiber | | | werden und wenn Du Gänse Putchen, Enten p | | Grabbe | erhältst soll die Mutter in die Küche haben. | | | [Adresse:] An [de]n Hrn. Stud. jur Chr. Grabbe Wohnhaft bei dem Hrn. Riemermstr. Kramer auf der Alten 20Friedrichsstraße nro: 83 in Berlin Hierinn 10 Pistolen frey |
| |
58.
H: Doppelbl. in 20; 2 S., Adresse auf S. 4.
F: GrA
T: Gegenw. S. 11.
T1: WBl IV 615.
Faks.: Alfred Bergmann: Christ. Dietr. Grabbe. 1801—1836.
Sein Leben in Bildern. Leipzig, Bibliographisches Institut (1936),
Abb. 13. (Die letzte Seite von den Worten „Wäsche versorgen kann.“
an.)
S. 62, Z. 5: Mutter] fehlt H
S. 63, Z. 18: [de]n] Der Brief ist an dieser Stelle mit Textverlust
beschädigt
S. 62, Z. 27: Balhorn: Siehe die Anm. zu S. 20, Z. 22.
S. 62, Z. 27: Pestri: Siehe die Anm. zu S. 40, Z. 9.
S. 62, Z. 37 f.: der Amtsvogt Falkmann in Lage ist todt: Der
Amtsvogt F. war mit seinen Rechnungen über rückständige Zinskornund
[Bd. b5, S. 451]
Brotkorn-Gelder in Verzug geraten und von seinem Amte
suspendiert worden. Schließlich wurde der Lieutenant Driesen beauftragt,
ihn am 14. Jan. 1823 gefänglich einzuziehen und samt
seinen Papieren nach Detmold zu transportieren, falls er bis dahin
nicht glaubhaft nachweisen werde, daß er die Rechnungen bei der
Kammer abgelegt habe. Die Ausführung dieses Haftbefehls wurde
durch ein ärztliches Zeugnis vereitelt (vgl. „Acta die Anstellung
eines Amtsvogts und Rendanten der Vogteyen Heyden und Lage
betr. 1767—1829.“ StAD L 77 A Fach 9. Nr. 12I. Bl. 90 u. 91),
und schon am 5. Februar starb F. in Lage an der Wassersucht.
(Sterberegister der Ref. Kirchengemeinde Lage 1823, Nr 18.)
S. 62, Z. 38 f.: Der Amtsrath Bornemann geht wirklich mit seinem
Amte nach Lage: Siehe die Anm. zu S. 59, Z. 16—18.
S. 62, Z. 39 f.: Unser Nachbar Peter ist auch todt: Der aus Bega
gebürtige Hofrademacher Johann Friedrich P. in Detmold, Bruch-Straße
Nr. 188, ist, 49 Jahre alt, am 10. Febr. 1823 an der Auszehrung
gestorben.