Nr. 541, siehe GAA, Bd. VI, S. 177 | 09. März 1835 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Moritz Leopold Petri (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Lieber Petri Du hast mir auf mein letztes Schreiben noch nicht geantwortet, 10was mich ängstet. Thu' es bald. Hannibal ist jetzt auch unter der Presse und der Censor hat nichts gestrichen. Ein kleines Theilchen, nicht die bedeutendste Stelle, nur von Hannb. Abschied aus Italien lautet jetzt so, und siehe ob die Rheinluft sie nicht geläutert hat: 15Eine Höhe mit dichtem, dunklen Kastanienwald bei Capua. Aus der Nähe das Brausen des Meers. (Hannibal windet sich zu Pferde rasch durch das Gebüsch, steigt an einem kleinen Grasfleck ab, und hängt die Zügel 20des Pferdes an einen niedrigen Baumstamm.) Hannibal. Gaul, solltest du verstehen, wie ein lang niedergedrückter Schmerz sich lüftet, so wiehere es nicht aus! (Er stürzt sich zur Erde und faßt sie mit beiden Händen:) 25 Italia! Herrliche, um die ich siebzehn Jahre warb, die ich mit eignem und mit Consulblut geschmückt, — so muß ich dich verlassen? Nichts bleibt mir von dir, die ich mitreißen möchte über das Meer? Du, ganz anders als die finstere Carthago und ihr trübrothes, heißes Firmament, du, prangend mit 30Helden, die nur von Ruhm und Eisen, nichts vom Gold wissen, mit dem Glanz selbst, nicht durch Miethlinge errungener, zum Capitol hinaufschimmernder Triumphe, nie erhabener als da ich dich zu meinen Füßen wähnte und du dich aufrichtetest zu dem Gewölb deines ewig blauenden Himmels — 35Ha, diese paar Gräser entreiß' ich dir, und berge sie am Herzen, damit es daran schlage — Mein jahrelanges Mißgeschick entschuldige bei mir selbst einen Augenblick der Empfindung. [GAA, Bd. VI, S. 178] Rufen vom Meerufer (von allen Seiten:) Die Taue strammer! — Seewasser drauf! — Noch zwanzig Ruderer an die fünfte Bank hier! — Schnell, der Landwind wird frisch — Dort naht das Heer zum Einschiffen — Flöße, 5Barken herbei — Hier 'ne Schiffbrücke — und da — die Seegel bereit — Nach Süd-Süd die Vorderdecke! — Matrosen an die Anker! Eile! Zur Heimath geht's! — Wo der Feldherr? Hannibal (laut:) Hier von der Höhe hat er euer Treiben beobachtet und 10findet es gut! (Er reitet zum Ufer.) Der Raum erlaubt mir nicht, etwas Bedeutenderes mitzu- theilen, und da ich heute Morgen vom Buchhändler Schaub eure Einladung zum Lipp. Magazin erhalte, ist mir während 15des Schreibens eingefallen, daß, wenn ihr wollt, ihr dieß Bruchstück einsetzen könnt. Ich hoffe euch aber auch mit Lippischeren Sachen wohl einmal dienen zu können, denn die Hermannsschlacht ist binnen einigen Wochen fertig, wo möglich mit einem Chor altdeutscher Burschen auf der Grotenburg 20als närrische Folie. — Obgleich ich meiner Mutter Geld schicke, so viel ich kann, bitt' ich doch, Dich einmal in jedem Monat zu erkundigen, ob sie etwas bedarf, und es ihr dann zu geben. Den letzten Doppellouisd'or hat sie nach Ihrer Antwort den 28. v. M. erhalten. Meine Frau treibt's, während 25ich das Honorar für den Hermann ihr zur Hälfte in Gedanken bestimmt hatte, so arg, daß ihr letzter Brief dem Hermann gewiß schadet. Hier werde ich zum Theil von den vornehmsten Ständen über Verdienst geschätzt, und, wo ich von meinen albernen Launen, die aus meiner früheren Erziehung und 30Stellung entspringen, noch etwas habe, mit Nachsicht behandelt wie ein Kind, daß ich mich schäme und mich bessere. Düss. am Tage der | | Dein | Schlacht bei Laon, an. 1814. | | Grabbe. | [9. u. 10. März 1835.] | | |
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