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Nr. 528, siehe GAA, Bd. VI, S. 165nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief


Hat's mir Hannibal angethan, weil er nur auch ein Auge
35hatte? Mein rechtes hat sich vorige Nacht sehr entwickelt,
und das Geschwür, welches ich dahinter vermuthete, weggetropft.

[GAA, Bd. VI, S. 166]

 


Solche nicht empfindsame Thränen lass' ich mir gefallen.
Heute Morgen, 10 Uhr, fing's nun auch an hinter dem
linken Auge sich zu rühren, und der hoffnungsvolle Anwachs
dahinter wird hoffentlich heute Nacht auch vergeh'n. Ich habe,
5seit ich mit einem Hrn. v. Cölln anno 1824 im beginnenden
Lenz auf der Erde lag, im Walde, und er mir Bruder Medardus
vorlas, immer um selbe Zeit jährlich an diesem Uebel
gelitten. — Mein Körper ist mir ziemlich etwas Fremdes, er
hat seine eigenen Interessen, was man oft an den unwillkührlichsten
10Bewegungen einer Fußzehe bemerken kann, und die
Aerzte wissen bis dato, so fleißig sie studirt haben mögen,
nichts davon, wie's zusammenhängt. Darum brauch' ich auch
keinen der Sorte, und ich wette (die Mamsell unten im Hause
leidet, wie ich höre, am selben Uebel, und gebraucht einen
15Mediciner) ich bin morgen früh gesund, u. sie treibts noch
4 Wochen. — Meine Mittel sind: schreiben, der Blick
schärft und richtet sich danach, — lesen, aber nur deutschgothische
Buchstaben, der Blick schärft sich daran, nicht an
den verschwemmenden lateinischen Lettern, — etwas Grünes
20 um sich haben, — die Füße warm halten.
Bei diesen Ehehaften wird's schwer seyn, Ihnen alle communicata
(aus denen ich die nöthigen Auszüge mache, so weit sie
das Theater betreffen) noch heute zurückzuschicken. Jedoch
Stunde vor Stunde können Sie sie erwarten. Die Lecture ist
25sehr interessant, jedoch ich will lieber Auditeur seyn und mit
Recruten und Militairs jeder Art verhandeln, als Intendant
eines Theaters mit tiefem Kunstgefühl. Ihre Mühsaale sind
kaum tragbar, und Sie haben doch dabei gedichtet, ich meine
gar den Merlin während der Zeit. Bittre Erfahrung vielleicht
30der einzige Lohn — Nein, das Tüchtige ist ein Fels, der
sich selbst macht, und dem die Esel ausweichen, den die Gescheuten
respectiren müssen. Den Lohn haben Sie, und der
kann Viel ersetzen. — Ich bekam von der ewigen Augenqual
Fieber und mußte heut Nachmittag auf ein paar Stunden
35retraite machen, deshalb erhalten Sie diesen unterbrochenen
Brief so spät. Jetzt schließe ich ihn bei Licht, und ich weiß,
es ist besser als im Dunkeln zu sitzen oder gar einen Augenschirm,
der dadurch daß er Schatten und Licht schroff trennt,
am meisten schadet, zu tragen. Eins von beiden würden
unsere Aertzte, die jetzt alle Gevattern geworden, Decillionbeuteltheilchen
40-Pathen oder Apothekerpfunds-Pathen, empfehlen.

[GAA, Bd. VI, S. 167]

 


Ihre Correcturen im Hannibal sind so sorgsam, daß ich
mich schäme, Ihnen so viele Mühe gemacht zu haben. Verdien's
nicht.

  Düss. 21. Febr. 35.Gehorsamst

5Grabbe.

  [Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Oberlandesgerichtsrath
Immermann.

 

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  Ebene schließenChronologisch
   
1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822 — Adolph Henrich Grabbe 
1823Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Adolph Henrich Grabbe  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Carl Georg Schreiner  — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Louise Christiane Grabbe  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
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