Nr. 507, siehe GAA, Bd. VI, S. 137 | 18. Januar 1835 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| G. P. M. Verzeih'n Sie die Anlage, ich mußte doch einmal an Sie schreiben, wegen des Ranke. Geht's, hätt' ich schweigends ihn [GAA, Bd. VI, S. 138] gern noch ein paar Tage, geht's nicht, so könnte der Billeteinnehmer links (vom Eingang des Theaters gerechnet) am Parterr, der mein Freibill. kennt, mir Bescheid sagen. — Die Anlage ist bis auf den Lucifer der memory nur Scherz; Sie 5können sie ja wegwerfen. Solche Nebensachen schaden meinem immer fortgehenden Hannibal nicht, stärken ihn vielmehr, denn sie sind Erholungen, und ersetzen mir die Gesellschaften. Auch die Hamlt Ubs. steht nicht still, und heute hoff' ich im Theater eine neue Säule, vielleicht die prächtigste, zu meinem 10Rec. Bau zu finden. Denn, ich glaube, das Leb.[en] e.[in] Tr.[aum] ist uns Deutschen schwerer und fremder als der Haml., und, Sie ließen mich ahnen, daß Sie es kühn dichterisch in die Scene setzen lassen. Ihre Aeußerung, daß Sie von den Menschen so wenig im Ganzen halten, hat mich beschäftigt und 15frappirt, denn Sie haben ja so manchen tüchtigen, guten und großen Character geschildert. Nein, das Bessere wiegt über; es kämpft in der ganzen Geschichte, und hat bis jetzt immer zuletzt gesiegt. Die kleinen Würmer, die kleinen Sorgen, Leiden und Freuden, die Noth, der zum Existiren einmal nöthige 20Eigennutz, erklären mir fast alle Schlechtigkeit. Der Schlechte wird, wenn er jene Aeußerlichkeiten überwunden hat, grade mit der Schlechtigkeit, die er deshalb an der Brust ernährt hat, am meisten zu kämpfen haben, und wahrscheinlich dann auch über sie siegen. Verzeihen Sie diesen Brei; er hat aber im 25Kessel Gründe: ich kenne Einen, der auf ein Billet von mir für mich in den Tod ginge, so wie ich für ihn, ohne irgend ein renommirendes Interesse und dgl. dafür zu haben, und ich glaube, Sie grade sind irgend einem Jugendfreunde auch so. Aber rechte Freundschaft wird so wenig bemerkt, weil sie 30schüchtern ist, und kaum Nutzen daraus zu ziehen wagt. — Uechtriz wird wohl mit seinem Thracier in Byzanz seyn, und nach einer Porphyrogeneta suchen, denn daß Spartacus vermuthlich ein ganz gemeiner Thracier war, glaubt er schwerlich: eher, daß er, unter der Hand, von einer femina illustris (die 35haben's ja frei nach Justinian, ein eigener Vorzug!) in Constantinopel oder in Thracien abortirt w[or]den. Meine Magd kann ihn in der Bennethei [Rest abgerissen] wenigstens noch nicht finden. Dssld. 14 [richtig: 18]. Jan. 1834 [richtig: 1835]. 40 Grabbe. [GAA, Bd. VI, S. 139] [Anlage.] „And never was a greater woe As that of Juliet and their Romeo.“ Uebersetzungsvariationen. 5 Und nimmer war ein größer Weh Als Romeos und seiner Julie. Und nimmer gab's ein schlimmres Loos Als Julias und ihres Romeo's. Und nimmer größer Weh geschah 10 Als das des Romeo und der Julia. Und nimmer groß ein Wehe so Als das von Julia und Romeo. (Á la Wieland:) Und nimmer ist solch Leid passirt 15 Als an den Zwei'n gesehen wird. Und nimmer ein unseeliger Unglück Als Julias und Romeos Geschick. (Wohl à la Benda:) Ein größ'res Wehe gab's noch nie 20 Als das der beiden Todten hie. Und wo gab es ein größres Weh jemals Als dieses Romeo's und Julia's. A la Adrian: Ein größres Weh' ist nie geseh'n 25 Als das an Romeo'n und Julien. [GAA, Bd. VI, S. 140] Oder à la Adrian et Voß: Ein größeres Unglück ist nie geschehn Als dieß an Romeo und sein'm Julchen. A la Meyer in Hildburghausen und außer Newyork: 5 Ein furchtbarer, schrecklicher Geschick Ist wohl, so lang der Erdball rollt, Der Sonn' ein brausend Loblied zollt, Noch nie geseh'n mit düstrem Blick, Als Julia die hehre, schlank gewachsen, 10 Und Romeo mit dem Haare, golden, flachsen, Hier todt aus Liebe hingestreckt, Er qualvoll aufgezehrt vom Arsenik, Sie wunderschön dahingereckt, Das prächt'ge Kleid mit Blut befleckt — 15 O ungeheuer! Doch: das ist des Schicksals Loos: Zu großes Glück: es hat Unglück im „Man muß Shakspeares Geist frei wiedergeben. Das Bändchen 204 Slbgr. Bei uns ist auch noch verlegt: „Jahre der Andacht“ (indem die vielgelesenen Stunden den Frommen doch zu kurz sind) ohne Katholicismus noch Protestantismus, also jedem Leser bequem, und wär's ein Hottentott, das Bändchen, fein brosch., mit echten Stahlstichen des Heilandes, seiner Mutter, 25der Apostel, äußerst billig a zu 6½ Slbgr.“ Das pp Institut zu pp. Ich möchte aber folgende zwei Verse des Lord Byron, der freilich kein Shakspeare ist, aber die folgende Passage mir in's Herz geflammt hat, ohne Anspielung oder Ironie gut 30übersetzt seh'n oder übersetzen können: And where I ever turn'd my eye, She rose the morning-star of memory. Ich meine so heißen sie verbotenus. Ich versuchte: „Und wo ich nur meim Aug' hinwandt', 35 Erinnrungs Morgenstern Sie stand.“ (Wir schreiben das Sie groß, der Engl. merkwürdig, nur sein Ich.) [GAA, Bd. VI, S. 141] Oder: „Und schaut' mein Aug nah oder fern, Auf stieg Sie, der Erinnrung Morgenstern.“ ect., 5denn das „rose“, das „Emporsteigen“ ist die Schwierigkeit und ich möchte wissen, ob Adrian sie gelös't. Ich kann's nicht. [Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Oberlandesgerichtsrath Immermann. |
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