Nr. 500, siehe GAA, Bd. VI, S. 132 | 12. Januar 1835 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Moritz Leopold Petri (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: · | Nachfolgend: · |
| Lieber Petri. Du antwortest nicht? Laß mich nicht länger warten, u. besorg's mit den 100 rthlrn. so wie ich gebeten. Mein Aschenbrödel ist ganz umgearbeitet und geht zum Abdruck. Hannibal 5ist auch fast fertig, und Carthagos Flammen spiegeln sich in Scipios Brustharnisch. Nur — — nirgend, weder in Frankf. noch hier kann ich Plutarchs Hannibal treffen, was mir unendlich, ja schrecklich weh ist. Er befindet sich in der französischen Uebersetzung auf der Detmolder Bibliothek — schaff' 10ihn mir daher umgehends, ein Buchbinder kann die Bogen ausnehmen, oder schaff' ihn mir lateinisch, aus Xylanders Ausgabe, die Moebius hat, oder deutsch, wovon auch Schierenberg, den ich herzlich grüße, vielleicht etwas aufspürt. Ich hafte auf Ehre für umgehende und prompte 15Rücksendung. Hann. wird das Beste, was ich geschrieben — fehlt mir Plutarch, verliert er leicht etwas. Ich hatte ihn von der Bibliothk, meine Frau wird ihn zurückgeschickt haben. Sonst ist er noch in meinem Hause. — Immermann behandelt mich ehrenvoll, und, was noch mehr, sorgsam. Hilf, hilf mir 20zum Hannibal, jede Auslage besorg' ich, auch schreib mir, was ich Dir für meine Mutter schicken muß. Mein Buchhändler gibt's mir. Bitte, bitte umgehends die Bogen über Hannibal aus Plutarch — das ganze Exemplar kostete zu viel Porto, und ich muß ihn fertig 25haben, eh' ich dem Buchhändler gar das Porto grad wieder abfodern möchte. Werd' ich sonst bei Euch verläumdet, so glaub' Du: ich hatte und habe Fehler, aber bei Gott, ich würde nicht alles verlassen haben, wär' ich nicht meiner Gesundheit wegen dazu genöthigt. — Hauptm. Runnenberg 30wird Dich, falls es Dich interessirt auch meinen Brief an ihn lesen lassen, eben so wie meine Mutter den, den sie bekommt. Ich schreibe auch an der Hermannsschlacht, und hoffe sie soll frisch seyn, wie Lippe's Wald. Unser Queerweg von Hartröhren zum Kreutzkrug keimt auch darin.Dein Adresse: Auditeur Grabbe, | | Grabbe. | in Düsseldorf, Ritterstraße, | | | n. 70, 1 Treppe hoch, bei | | | Witwe Andries wohnhaft. | | | Am II. Dreikönigstag 1835. [GAA, Bd. VI, S. 132a] Vorderseite Blatt aus der Handschrift der mittleren Fassung des „Hannibal“, die wir nur lückenhaft besitzen (siehe Band 3, S. 7—81 und S. 387—470). Der Text gehört in die Lücke auf S. 66 des Bandes und schließt sich unmittelbar an Gisgons Wort „Nur?“ (Z. 23) an. Das Original befindet sich im Besitz der Lippischen Landesbibliothek, Detmold, Grabbe-Archiv. [GAA, Bd. VI, S. 132b] Rückseite [GAA, Bd. VI, S. 133] / Nur die Bogen über / Hannibal, den ganzen Plu/ tarch sonst gar nicht, lassen / sie sich nicht austrennen und 5wieder einsetzen; ich entdeck' / ihn doch wohl dann in Cöln, / nicht dem lagischen, son/ dern dem mit der Dombiblio/ thek, 2 Stationen von hier. 10 P. S. Daß Immermann mich honorig behandelt und ich guten Umgang habe, kannst Du an der Einlage von Immermann sehen, welche er mir gestern den 11. Jan. schickte. Du kannst sie zeigen, wirf sie aber nicht weg, und behalt sie für mich. 1512 Jan. 1835.Dein Verwechsle nur die Gräfin von Ahlefeldt nicht mit Fräulein Charl. von Ahlefeldt, einer bettelnden Schriftstellerin, was mir fast schlimm zu Statt gekommen wäre. 20[Beilage.] Ich schlage Ihnen vor, heute Mittag mit mir bei der Gräfin Ahlefeldt, der Besitzerin des Guts, wo ich wohne, zu speisen. Sie hat mit Vergnügen Ihre Schriften gelesen, und Ihre Bekanntschaft wird ihr, wie sie mir gesagt hat, angenehm seyn. 25 Da Sie größere Gesellschaft nicht lieben, so werden Sie niemand finden, als die Gräfin und mich. Sie brauchen sich daher nicht zu scheuen, und ich wünsche, daß Sie kommen, da es Ihnen nicht gut ist, immer allein ohne Berührung mit Menschen, auf Ihrer Stube zu sitzen. 30 Um zwei Uhr werde ich vorgefahren kommen, um Sie abzuholen. Sonntags. | | Immermann. | [11. Januar 1835.] | | | [GAA, Bd. VI, S. 134] |
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500.
H: 1 Bl. in 40; 2 S.
F: GrA
T: Gegenw. S. 26—27. 27.
T1: WBl IV 502—03, als Nr 9.
D: WGr IV 376—77, als Nr 143.
Die Beilage:
H: 1 Bl. in quer-40; 1 S.
F: GrA
D: WBl IV 642, als Nr 1.
Grabbe datiert vom Heiligen Dreikönigstage, also vom 6. Januar.
Da er aber S. 133, Z. 13 von „gestern den 11. Jan.“ spricht, so
muß doch wohl der 12. als Tag der Niederschrift angenommen
werden.
S. 133, Z. 8 f.: Dombibliothek] Dombliothek H
S. 132, Z. 7: Plutarchs Hannibal: Siehe die Anm. zu S. 107,
Z. 14 f.
S. 132, Z. 12: aus Xylanders Ausgabe: Siehe die Anm. zu S. 107,
Z. 14 f.
S. 132, Z. 12: Moebius: Siehe die Anm. zu Bd 5, S. 10, Z. 15.
( S. 391.)
S. 132, Z. 33 f.: Hartröhren: Ein Forstort, auf einer Hochebene
im lippischen Walde, 377 m über dem Meere, gelegen, mit einer
weiten Aussicht über den größten Teil der Senne. Ehemals hatte
sich dort ein Fürstliches Jagdschloß befunden, berühmt durch die
[Bd. b6, S. 483]
großen Jagdfeste und einen Vogelherd. Zu Grabbes Zeit waren davon
nur spärliche Reste vorhanden, und es stand dort nur noch
ein Holzwärterhaus, in dem ein Waldschütz eine Wirtschaft eingerichtet
hatte. — „Der Name Hartrören ist nicht zweifelsfrei zu
erklären. Vermutlich ist er auf 'roden' zurückzuführen (1564 'an
den Hartroden', 1590 'Harttrohren', 1603 'die Hartrode', 1607
'Hartrhödern'). Das Bestimmungswort 'Hart' wird als Wald zu
deuten sein, so daß Hartröhren soviel als Waldrodung bedeutet und
mit Hirschtönen (Harte = Hirsch) nichts zu tun hat. Das an zweiter
Stelle auftretende Grundwort 'roden' verwandelte sich in 'rödern',
woraus dann 'rören' wurde“. Vgl. H.[einrich] A. Sievert,
„Heidental, Hartrören, Donoper Teich und Umgebung“ („Mitteilungen
aus der lippischen Geschichte und Landeskunde“, [Bd] 14,
1933, S. 1—55), S. 7—8; ferner Friedrich Wilhelm von Cölln,
„Historisch-geographisches Handbuch des Fürstenthums Lippe“,
Leipzig 1829, S. 45.
S. 132, Z. 34: Kreutzkrug: Wirtschaft und Logierhaus im Amte
Detmold, Bauerschaft Haustenbeck, in der wildreichen Gegend des
sogenannten nassen Grundes. Dort scheiden sich die Wege nach
Detmold, Lopshorn, Schlangen und Horn.
S. 133, Z. 6 f.: Cöln, nicht dem lagischen: Wohl eine scherzhafte
Anspielung auf den Schulkameraden Leopold von Cölln, der in
Lage ansässig war. Vgl. die Anm. zu Bd. 5, S. 26, Z. 8 ( S. 409.)
S. 133, Z. 17: die Gräfin von Ahlefeldt: Elise Davidia
Margarethe, Gräfin von A.-Laurwig (1788—1855). Dänin von Geburt,
war sie im Jahre 1808 die Gattin Adolfs von Lützow, des Freikorpsführers,
geworden, bei dem der junge Immermann Auditeur
war. Diesem folgte sie nach der Trennung ihrer Ehe, erst nach
Magdeburg, dann nach Düsseldorf. Ihr gemeinsamer Wohnsitz war
das benachbarte Derendorf.
S. 133, Z. 18: Fräulein Charl. von Ahlefeldt: Die aus Stedten
bei Weimar stammende Charlotte Sophie Louise Wilhelmine
von Ahlefeld, geb. von Seebach (1781—1849). Sie hatte sich
1798 mit dem Gutsbesitzer Joh. Rudolf von Ahlefeld, Herrn von
Saßdorf und Schestedt in Schleswig-Holstein verheiratet, 1807 aber
wieder von ihm getrennt, und lebte seit 1821 ständig in Weimar.
Eine stattliche Reihe von Romanen und anderen Unterhaltungsschriften
ist aus ihrer Feder hervorgegangen.