Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
Nr. 492, siehe GAA, Bd. VI, S. 116nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief


20Das Gute hab' ich, daß manches Körnchen, ist's auch Tadel,
hinterdrein aufgeht. Nur findet es meist erst übernachts den
rechten Grund. Sie haben durchweg Recht pto des Verses im
Hannibal, er ist ein Zwitter, ich zerschlage ihn, wie neue
rauhe Chausséesteine, und verwandle ihn in Prosa. Mein Kopf
25bekommt dadurch noch freieren Spielraum, überall seh' ich
das Stück besser, moderirter und doch kräftiger werden, und
— das ist der Grund — acht' ich einmal die Versmaaß
-Autorität nicht, so kann ich ja am
besten und bequemsten, den Rhytmus, welchen
30ich bezwecke, in Prosa ausdrücken.
Auch spür' ich, daß es nur eine alberne Furcht vor dem grauen
Alterthum war, in dem das Stück spielt. Närrisch: denn soviel
auch die Philologen von Profession und die Dichter von Nicht-Profession
(Justi, der gelehrtthuende Herr Generalsuperintendent
35Ammon,

        „deß' Nam sogar carthagisch klingt!“)

sich bemühen, die Bibel, den Plautus, den Terenz in Verse
zu bringen, so haben sie doch noch keine passende herausgebracht.
In der Bibel macht offenbar nur der Sinn die Dichtung

[GAA, Bd. VI, S. 117]

 


aus, und höchstens erinnert der paralellismus membrorum
an Versartiges; bei Terenz und Plautus ist die Blindheit der
alten Knasterbärte noch toller, denn sie wußten doch, daß
eben die Vorbilder dieser beiden Poeten, die Griechen Menander
5und Philemon, in Prosa schrieben. — Auch wird mir
nun leicht manches Pompöse in einzelnen Redensarten, durch
den Vers herbeigeschleppt, auszulassen, umzubilden, und die
Helden dem Herzen näher zu bringen. Besonders wird der
jüngere Scipio gewinnen. Der soll ein Kerl werden, menschlich,
10römisch, groß, kindlich, und doch Ein Guß. Das Stück
wird nun noch schneller fertig. Ich bitte übrigens das Fragment
doch erst auszulesen, das Gute darin anzuerkennen,
indem Sie denken, die störende Form ist morgen schon fort.
Wo möglich hätt' ich's heut Abend, oder morgen früh circa
158 Uhr, deshalb zurück. Vorreden schreib' ich nicht gern —
Was meinen Sie aber, wenn ich in der Dedication an Sie,
Ihrem Rath dankend, Einiges hierüber einfließen ließe? Was
thut nicht ein offener Freund, der sich nicht scheut, die
bösen Wunden zu berühren! — Den Töpfer kann ich nun
20erst morgen früh schicken. Die Sache mit Hannibals Versen
hat mich zu sehr erregt, erfreut. Die Verse des Töpfer gehen,
beizu gesagt, grade den rechten Pferdetrab; mir ist dabei
als führ' ich immer glattweg, immer bergunter: „jip, jap, jap,
jip,“ — Das Abschreiben ergötzt mich. Ich lerne allerlei,
25wenn ich das Mittelmäßige, so recht durch die Hände gehen
lasse. — Platen scheint ganz einzutrocknen. Die neapolitanischen
Geschichten (einfältiger Titel, wahrscheinlich Nachäfferei
des Titels der „Historien“ des Tacitus, deren Sinn im
Lateinischen etwas mehr bedeutet und klarer ist, als das Wort
30„Geschichten“ im Deutschen, besonders da sie den Annalen
des Tacitus correspondiren), sind besser als die Liga (Ligue
war dem Herrn Grafen zu gemein, da es uns gewöhnter
klingt) des sich selbst verkündenden Messias, denn er macht
denn doch kein schlechtes Gedicht daraus, und Neapels
35Geschichte wird in Deutschland wenig cultivirt, so daß es
gut ist, sie einmal zu berühren. Glaubt übrigens dieser Bengel,
es gäbe nicht hinter den Bergen in Deutschland auch Leute,
die da sehen, wie er mit Gelehrsamkeit renommiren will?
Statt den Giannone zu citiren und auszuschreiben (er hat's
40aber sicher bisweilen mehr als nöthig gethan, da er sich hütet
ihn zu erwähnen) citirt er einige weltbekannte Scriblifaxe,

[GAA, Bd. VI, S. 118]

 


den Lügner Paulus Jovius darunter! Des Herren Grafen
Hände hätten den Schmuz von Neapels Archiven mit deren
Manuscripten nicht scheuen sollen. Doch Excellenz flechten
auch am reinen trimetrischen Lorbeer beizu.

5  Ihren älteren Hofer lass' ich aus der Leihbibliothek holen,
zum mir großen Genuß seyn sollenden Vergleich.

  Die beiden Philibert gingen wieder gut. Es drängt mich,
über das Düsseldorfer Theater, noch nicht genug seinem Werthe
nach anerkannt, etwas in ein bedeutendes oder doch verbreitetes
10Blatt (Morgenblatt, Abendzeitung p. p.) zu schicken, so
vielen Aerger ich auch mit einer Schauspielrecension gehabt
habe. Ich will Ihnen den Aufsatz vorher mittheilen. Soll ich?
Auch ist's wohl gut, wenn ich mich unterschreibe, so sieht
man doch, es ist nicht heimliche Hand im Spiel, was leider
15so oft bei anderen Theatern der Fall ist, und auch bei diesem
vermuthet werden könnte. Denn Jeder denkt von dem Andren
so schlecht als er selbst ist.

  Ich danke Ihnen, daß ich Bier trinke, nicht den Morgen-Rum.

Düsseld. 18 Dec.    Gehorsamst
      1834.                                    
                                   

(Uechtriz kann ich noch nicht entdecken.
Hemilchis sagt's auch nicht.)
25 [Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Oberlandesgerichtsrath
K. Immermann.

 

Ebene schließenBriefauswahl
 Ebene schließenBriefe von Christian Dietrich Grabbe
  Ebene öffnenNach Adressaten
  Ebene schließenChronologisch
   
1812Adolph Henrich Grabbe Nr. 3, 1812 — Dorothea Grabbe Nr. 3, 1812
1815Meyersche Hofbuchhandlung 
1816Meyersche Hofbuchhandlung 
1817Georg Joachim Göschen Nr. 14, 28. Juli 1817
1818Meyersche Hofbuchhandlung  — Dorothea Grabbe Nr. 21, 11. Februar 1818 — Adolph Henrich Grabbe 
1819Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 27, 07. May 1819
1821Dorothea Grabbe  — Adolph Henrich Grabbe 
1822Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen Nr. a1, 28. Januar 1822 — Dorothea Grabbe  — Ludwig Tieck  — Adolph Henrich Grabbe 
1823Adolph Henrich Grabbe  — Ludwig Christian Gustorf  — Dorothea Grabbe  — Ludwig Tieck 
1824Ludwig Christian Gustorf Nr. 80, 12. Februar 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 81, 14. Februar 1824 — Examinationskommission Nr. 85, 27. März 1824
1825Moritz Leopold Petri  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 90, 29. Dezember 1825
1826Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 91, 19. Januar 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier  — Friedrich Wilhelm Helwing Nr. 94, 06. May 1826 — Friedrich Wasserfall  — Meyersche Hofbuchhandlung  — Christian von Meien Nr. 102, 15. Oktober 1826 — Fürstlich Lippische Regierung  — Moritz Leopold Petri 
1827Fürstlich Lippische Regierung Nr. 116, 07. Januar 1827 — Christian von Meien Nr. 119, 07. April 1827 — Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 121, 01. May 1827 — Moritz Leopold Petri Nr. 123, 04. May 1827 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Unbekannt  — Nikolaus Meyer Nr. 132, 21. August 1827 — Johann Wolfgang von Goethe Nr. 135, 26. Oktober 1827 — Ludwig Tieck Nr. 136, 30. Oktober 1827 — Friedrich Wilhelm Gubitz Nr. 140, 22. Dezember 1827
1828Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 144, 04. Januar 1828 — Christian von Meien Nr. 147, 10. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian Gottlieb Clostermeier  — Fürstlich Lippische Rentkammer Nr. 155, 24. Januar 1828 — Wilhelmine Koch Nr. 156, 26. Januar 1828 — Nikolaus Meyer Nr. 165, 03. März 1828 — Friedrich Wilhelm Gubitz Nr. 167, 07. März 1828 — Johann Karl August Kestner  — Karl Gottfried Theodor Winkler Nr. 183, 02. April 1828 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Louise Christiane Clostermeier  — Louise Clostermeier  — Unbekannt Nr. 213, 26. November 1828
1829Christian von Meien  — Friedrich August Rosen Nr. 223, 10. Februar 1829 — Friedrich Althof Nr. 224, 20. Februar 1829 — Meyersche Hofbuchhandlung  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 235, 01. August 1829 — Friedrich Steinmann  — Nikolaus Meyer Nr. 237, 03. August 1829 — Hermannsche Buchhandlung Nr. a2, 20. August 1829 — Louise Clostermeier Nr. 242, 05. September 1829 — Louise Christiane Clostermeier  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 250, 19. Dezember 1829
1830Louise Christiane Clostermeier  — Friedrich Steinmann Nr. 259, 30. Januar 1830 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Karl Gottfried Theodor Winkler  — Johann Heinrich Wist Nr. 268, 28. May 1830 — Unbekannt Nr. 270, 15. Juni 1830 — Ernst Barkhausen Nr. 273, 03. August 1830 — Wolfgang Menzel Nr. 274, 03. August 1830 — Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 278, 16. September 1830 — Nikolaus Meyer 
1831Nikolaus Meyer  — Wolfgang Menzel Nr. 286, 15. Januar 1831 — Georg Ferdinand Kettembeil  — Dr. Gustav Friedrich Klemm Nr. 293, 24. März 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian von Meien  — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 324, 28. Juli 1831 — Louise Christiane Clostermeier  — Valentin Husemann  — Moritz Leopold Petri 
1832Moritz Leopold Petri  — Georg Ferdinand Kettembeil  — Theodor von Kobbe Nr. 353, 10. Februar 1832 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier  — Christian von Meien Nr. 361, 28. May 1832 — Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 362, 29. May 1832 — Johann Karl August Kestner Nr. a3, 18. Juni 1832 — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg  — Herrschaftliches Richteramt Nr. 368, 02. November 1832
1833Moritz Leopold Petri Nr. 369, 05. Januar 1833 — Friedrich Ballhorn-Rosen Nr. 377, 06. März 1833 — Meyersche Hofbuchhandlung  — Fürst Leopold zur Lippe II.  — Louise Christiane Grabbe  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg  — Christian von Meien  — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II.  — Fürstlich Lippische Regierung  — Christian von Meien  — Karl Ziegler  — Dorothea Grabbe  — Moritz Leopold Petri  — Wolfgang Menzel Nr. 477, 15. November 1834 — Eduard Duller Nr. 478a, 18. November 1834 — Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann 
1835Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 499, 01. Januar 1835 — Dorothea Grabbe  — Moritz Leopold Petri  — Karl Leberecht Immermann  — Unbekannt  — Karl Ziegler  — Carl Georg Schreiner  — Friedrich Althof Nr. 610, 10. Juni 1835 — Dr. Martin Runkel  — Karl Jenke Nr. 620, 18. Juni 1835 — Friedrich Schenk Nr. 620, 18. Juni 1835 — Louise Christiane Grabbe  — Dr. Karl Heinrich Ebermaier Nr. 623a, 20. Juni 1835 — Wolfgang Menzel  — Gräfin Elisa von Ahlefeldt  — Ludwig Saeng Nr. a5, 27. Juli 1835 — A. L. Hons 
1836Karl Leberecht Immermann  — Hermann Kunibert Neumann  — Eduard Duller Nr. 694, 21. April 1836 — Dorothea Grabbe  — Heinrich Brockhaus Nr. 702, 11. May 1836 — A. L. Hons  — Karl Ziegler  — Moritz Leopold Petri  — Louise Christiane Grabbe  — Christian von Meien Nr. 725, 24. Juli 1836 — Unbekannt Nr. 729, 08. September 1836 — Carl Georg Schreiner 
 Ebene öffnenBriefe an Christian Dietrich Grabbe
 Ebene öffnenBriefe über Christian Dietrich Grabbe
 Ebene öffnenBriefe nach der Göttinger Akademie Ausgabe
 Ebene öffnenNeue Briefe