Nr. 490, siehe GAA, Bd. VI, S. 112 | 14. Dezember 1834 | | Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| G. P. M. Hier das Schreiben meiner Frau. Das dazu gehörige lustige 10Gedicht hab' ich verlegt. Der ganze Brief athmet nichts als Gier und Unwahrheit. Hätte sie nur alles so für sich, ich könnte crepiren. Ich der Mit-Herr und der Verwalter des Vermögens, habe ihr, die meinen Dispositionen folgen mußte, nicht allein bis jetzt die freie Verwaltung über ihr 15elterliches Gut so hingeh'n lassen, sondern sie hat auch über alle meine gewöhnlichen Einkünfte frei disponirt, die außergewöhnlichen mindestens zu ⅔ erhalten. Nie, nie, hat sie für Haushalt, Visiten, für Kleidung ect etwas Bedeutendes ausgelegt. Ich that's beizu und quälte mich wie ein Hund. Ich 20lasse all mein Eingebrachtes (Silber, Ringe, Tafeluhren, Sopha, Commoden, Schränke, Wäsche, Betten pp.) bei ihr zurück, und jetzt fodert sie zu unserer Sammlung von Raritäten die Dose zurück, welche ich gebrauche und die mir geschenkt ist von e. Freunde, — sie gönnt mir nicht, daß ich zur Sicherheit 25ein paar Obligationen mitnehme, die ich längst vor der Ehe besaß, sie, welcher ich gar nicht trauen sollte, da sie gerichtserweislich mir Gelder heimlich verschleppte, sie, die mir danken sollte, daß ich nichts weiter verlangte, sie will (fast lautet's, vergleicht man unsre Landsverordnungen, wie Wahnsinn) auf 30meine zurückgelassenen Leihbanksobligationen Arrest legen, sie spricht von ihrer dürftigen Lage, und hat weit mehr als vor der Ehe, wo sie ohne mein Inferirtes lebte, und doch jeden Tag Feten gab, sie spricht von 2 silbernen Uhren, die ich als Andenken von meinem Vater, meiner Mutter in Verwahrung 35gegeben, sie spricht von meinem kleinen silbernen Becher, den ich, wie sie weiß, auf Reisen zum trinken gebrauche, während bei ihr noch mindestens 6 zu Hause stehen, nicht einmal „mehrere“ Wäsche (ich habe 6 Hemden und 6 paar Strümpfe [GAA, Bd. VI, S. 113] mit genommen, und 60 meiner Hemden, 60 paar meiner Strümpfe pp sind sicher zurückgeblieben) gönnt sie mir für die lange Reise — Und das alles so naiv—listig—falsch—lustig und traurig durcheinander, daß ich durchaus dieses Weib einmal 5in einem Drama schildern möchte. Ect. ect. Ganz Detmold kennt sie übrigens jetzt. Ich glaube selbst der Fürst, ich hätte sonst so milde den Urlaub nicht bekommen. Sie sahen ein, es ging nicht. Ich bitte ja den angeschlossenen Brief nicht zu verlegen, sondern ihn mir nächstens gefälligst 10zurückerstatten zu wollen. Ich könnte ihn nöthigenfalls vor Gericht gebrauchen, und überdem dient er zum Beweis, daß meine Abreise ihr bekannt und nicht dolose geschehen. Der Hannibal würde wohl in 10 Tagen fertig seyn, hätt' ich nur Plutarch (lateinisch oder deutsch oder französisch), den 15Livius wo möglich (im Original), oder doch die „allgemeine Weltgeschichte“ von Guthrie und Gray, in quarto, erläutert von Dr. Gr. Baumgarten, in den Bänden die Carthago und Hannibals Feldzüge, von diesen an bis zum Untergang der Stadt, betreffen. Ist es denn nicht möglich in irgend einer 20hiesigen Bibliothek bis Morgen Mittag das aufzugabeln? Oder bei einem Philologen? Weiß ich nur wo, und um mehr als diese Nachricht bitt' ich natürlich nicht, die Läufe danach, will ich mit größter Freude machen. Geht es, so leihen Sie mir gefälligst aus Ihrem Plutarch die Lebensbeschreibungen 25der beiden Scipionen auf 1½ Tag. Gestern hat mir das Theater sehr gefallen. Die Gesten waren oft originell und durchweg doch sehr richtig, auch war die Accentuation sehr richtig, oft nur zu scharf, zu dictirend. Das kommt aber davon her, weil den Leuten sichtbar 30vieles mit Mühe hat einstudirt werden müssen, und seyen Sie es oder Uechtriz (dessen Declamation ich oft zu erkennen glaubte) es muß hier in kurzer Zeit Enormes geleistet seyn, im Einzelnen und im Zusammenspiel, besonders wenn man bedenkt, daß die Mehrzahl der Schauspieler schwerlich genial 35seyn wird, und auch wohl in Düsseldorf so gut wie überall, je mehr talentlos, je eigensinniger zu seyn pflegt. Geht das Einstudiren so gut weiter, könnte hier das alte Mannheim entstehen. Mein Gelübd halt' ich. Es wird mir nicht schwer. Pto der 40Journale, welche ich beim Theater in einem Museo oder wie's heißt lese, behalt' ich mir aber auf Abend ein mäßiges Glas [GAA, Bd. VI, S. 114] Punsch bevor, indem sie von Weinen dort nur den schweren und theuren Bourdeaux haben. Die Bücher? Geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen Gefälligkeiten auch erzeigen zu können. 5 Mein täglicher Verbrauch in meinem Logis wird, wie gesagt stets von mir sofort bezahlt, nur fällt mir ein, nicht das Licht und die Heitzung. Sonst wüßt' ich gar nichts, was ich außer Miethe verschuldete. Ich bitte, schickt die Mad. Ihnen etwa die Monatsrechn., mir vor der Zahlung dieselbe 10zu zeigen. Auch zum lieben Rum hat sie nichts ausgelegt. Düsseld. den 14 Dec. 1834. |
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