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Nr. 490, siehe GAA, Bd. VI, S. 112nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief

                      G. P. M.

Hier das Schreiben meiner Frau. Das dazu gehörige lustige
10Gedicht hab' ich verlegt. Der ganze Brief athmet nichts als
Gier und Unwahrheit. Hätte sie nur alles so für sich, ich
könnte crepiren. Ich der Mit-Herr und der Verwalter
des Vermögens, habe ihr, die meinen Dispositionen folgen
mußte, nicht allein bis jetzt die freie Verwaltung über ihr
15elterliches Gut so hingeh'n lassen, sondern sie hat auch über
alle meine gewöhnlichen Einkünfte frei disponirt, die außergewöhnlichen
mindestens zu ⅔ erhalten. Nie, nie, hat sie
für Haushalt, Visiten, für Kleidung ect etwas Bedeutendes
ausgelegt. Ich that's beizu und quälte mich wie ein Hund. Ich
20lasse all mein Eingebrachtes (Silber, Ringe, Tafeluhren, Sopha,
Commoden, Schränke, Wäsche, Betten pp.) bei ihr zurück,
und jetzt fodert sie zu unserer Sammlung von Raritäten die
Dose zurück, welche ich gebrauche und die mir geschenkt ist
von e. Freunde, — sie gönnt mir nicht, daß ich zur Sicherheit
25ein paar Obligationen mitnehme, die ich längst vor der Ehe
besaß, sie, welcher ich gar nicht trauen sollte, da sie gerichtserweislich
mir Gelder heimlich verschleppte, sie, die mir danken
sollte, daß ich nichts weiter verlangte, sie will (fast lautet's,
vergleicht man unsre Landsverordnungen, wie Wahnsinn) auf
30meine zurückgelassenen Leihbanksobligationen Arrest legen, sie
spricht von ihrer dürftigen Lage, und hat weit mehr als vor
der Ehe, wo sie ohne mein Inferirtes lebte, und doch jeden
Tag Feten gab, sie spricht von 2 silbernen Uhren, die ich als
Andenken von meinem Vater, meiner Mutter in Verwahrung
35gegeben, sie spricht von meinem kleinen silbernen Becher, den
ich, wie sie weiß, auf Reisen zum trinken gebrauche, während
bei ihr noch mindestens 6 zu Hause stehen, nicht einmal
„mehrere“ Wäsche (ich habe 6 Hemden und 6 paar Strümpfe

[GAA, Bd. VI, S. 113]

 


mit genommen, und 60 meiner Hemden, 60 paar meiner
Strümpfe pp sind sicher zurückgeblieben) gönnt sie mir für
die lange Reise — Und das alles so naiv—listig—falsch—lustig
und traurig durcheinander, daß ich durchaus dieses Weib einmal
5in einem Drama schildern möchte. Ect. ect.

  Ganz Detmold kennt sie übrigens jetzt. Ich glaube selbst
der Fürst, ich hätte sonst so milde den Urlaub nicht bekommen.
Sie sahen ein, es ging nicht. Ich bitte ja den angeschlossenen
Brief nicht zu verlegen, sondern ihn mir nächstens gefälligst
10zurückerstatten zu wollen. Ich könnte ihn nöthigenfalls vor
Gericht gebrauchen, und überdem dient er zum Beweis, daß
meine Abreise ihr bekannt und nicht dolose geschehen.

  Der Hannibal würde wohl in 10 Tagen fertig seyn, hätt'
ich nur Plutarch (lateinisch oder deutsch oder französisch), den
15Livius wo möglich (im Original), oder doch die „allgemeine
Weltgeschichte“ von Guthrie und Gray, in quarto, erläutert
von Dr. Gr. Baumgarten, in den Bänden die Carthago und
Hannibals Feldzüge, von diesen an bis zum Untergang der
Stadt, betreffen. Ist es denn nicht möglich in irgend einer
20hiesigen Bibliothek bis Morgen Mittag das aufzugabeln?
Oder bei einem Philologen? Weiß ich nur wo, und um
mehr als diese Nachricht bitt' ich natürlich nicht, die Läufe
danach, will ich mit größter Freude machen. Geht es, so leihen
Sie mir gefälligst aus Ihrem Plutarch die Lebensbeschreibungen
25der beiden Scipionen auf 1½ Tag.

  Gestern hat mir das Theater sehr gefallen. Die Gesten waren
oft originell und durchweg doch sehr richtig, auch war die
Accentuation sehr richtig, oft nur zu scharf, zu dictirend.
Das kommt aber davon her, weil den Leuten sichtbar
30vieles mit Mühe hat einstudirt werden müssen, und seyen Sie
es oder Uechtriz (dessen Declamation ich oft zu erkennen
glaubte) es muß hier in kurzer Zeit Enormes geleistet seyn,
im Einzelnen und im Zusammenspiel, besonders wenn man
bedenkt, daß die Mehrzahl der Schauspieler schwerlich genial
35seyn wird, und auch wohl in Düsseldorf so gut wie überall,
je mehr talentlos, je eigensinniger zu seyn pflegt. Geht das
Einstudiren so gut weiter, könnte hier das alte Mannheim
entstehen.

  Mein Gelübd halt' ich. Es wird mir nicht schwer. Pto der
40Journale, welche ich beim Theater in einem Museo oder wie's
heißt lese, behalt' ich mir aber auf Abend ein mäßiges Glas

[GAA, Bd. VI, S. 114]

 


Punsch bevor, indem sie von Weinen dort nur den schweren
und theuren Bourdeaux haben.

  Die Bücher? Geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen Gefälligkeiten
auch erzeigen zu können.

5  Mein täglicher Verbrauch in meinem Logis wird, wie gesagt
stets von mir sofort bezahlt, nur fällt mir ein,
nicht das Licht und die Heitzung. Sonst wüßt' ich gar nichts,
was ich außer Miethe verschuldete. Ich bitte, schickt die Mad.
Ihnen etwa die Monatsrechn., mir vor der Zahlung dieselbe
10zu zeigen. Auch zum lieben Rum hat sie nichts ausgelegt.

                                
                                

Düsseld. den 14 Dec. 1834.

 

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1818Adolph Henrich Grabbe Nr. 16, 01. Februar 1818 — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 18, 07. Februar 1818 — Fürstin Paulina zur Lippe Nr. 17, 07. Februar 1818
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1828Christian von Meien Nr. 145, 09. Januar 1828 — Fürstlich Lippisches Militärgericht 
1829Christian von Meien Nr. 251, 22. Dezember 1829
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