Nr. 421, siehe GAA, Bd. VI, S. 49 | 25. Januar 1834 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Fürst Leopold zur Lippe II. (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| Durchlauchtigster Fürst! 35 Gnädigster Fürst und Herr! Dieses Blatt leg' ich unmittelbar an das Herz Ewr Hochfürstlichen [GAA, Bd. VI, S. 50] Durchlaucht, und wage das so eher als ich Beweise früherer Gnade besitze. Der Auditeur ist ein ehrenvoller Posten, aber seit dem Marsch nach Luxemburg sind seine Geschäfte überschwänglich. 5 Meine Dichtungen, die dem Lande und mir nicht zur Unehre gereichen, die überall fast für die rechtmäßigen Fürsten glühen (selbst der wilde Don Juan sagt: „König und Ruhm und Vaterland und Ehre“), mit denen ich nützlicher wirken kann, als mit dem größten Geschäftsfleiß, habe ich seitdem aufgeben 10 müssen. Und es treibt mich ein innerer Drang doch so sehr immer wieder nach den geistigen Gebirgen, wo die Quellen der Poesie rinnen. Diese Dichterarbeiten brachten mir jährlich 800 rthlr. ein, die Advocatur, welche ich ebenfalls meist aufgeben mußte, 15500 rthlr. Die Stelle des Auditeurs bringt mir dagegen nur 216 rthlr. ed. M., und die Sporteln, die jetzt keine 100 rthlr. betragen, ein. Und letztere nehme ich nur da, wo ich eben so viel als sie betragen, ausgelegt habe, oder wo Unverschämtheit mich erbittert. Was konnte ich nicht bei'm Ausmarsch 20nach Luxemburg verdienen, und zwar rechtlich? Ge- schenkt habe ich, so daß mir Vorwürfe daraus gemacht sind. Nun ist mein Vater todt, meine Mutter, die zwar eine gnädigst bewilligte Pension von 40 rthlrn. besitzt, erhält von 25mir monatlich resp. 6 — 10 rthl., indem sie wegen ihres Alters deren bedarf, meine Frau erhielt früher meine gesammte Gage, aber seit Anfang dieses Jahres, wo mir alles Nebenverdienst abgeht, kann ich das nicht mehr geben, und sie muß sich einstweilen mit den Zinsen ihrer in die Ehe gebrachten 30Capitalien begnügen. Deshalb Durchlauchtigster Fürst! bitte ich, kühn im Vertrauen auf ein fürstlich schlagendes Herz, retten Sie einen Dichter, der in Geschäfts- und Familiensorgen unterzugehen Gefahr läuft. Schon mehrmals ist in Zeitungen die Gnade 35anerkannt worden, mit welcher Höchstdieselben mich zum Auditeur beriefen. Aber wirkt es für Enkel- und Enkelskinder nicht besser, wenn ich ihnen ewige Monumente hinsetze, statt mich Tag für Tag in Kleinigkeiten (zum Beispiel Schuldfoderungen um 6 mgr.) und beengenden Verhältnissen (von 40denen ich nur sagen darf: ich bin besser als der Ruf) hinquälen zu müssen? [GAA, Bd. VI, S. 51] Durchlauchtigster Fürst: ich bitte um Erlaubniß, daß meine jetzt schon fertigen und meine künftigen Werke Höchstihren Namen in der Widmung vorantragen dürfen, und mir dabei zu gestatten, hier oder an den Ufern des Main oder des 5Rhein zu wohnen, und damit ich nicht von den Kauf- und Verkauf-Ideen einiger Buchhändler abhänge, auch sicher meine Mutter unterstützen kann, mir unter der Bedingung, jährlich über meine Bestrebungen Rechenschaft abzulegen, einige 100 rthlr. jährlich gnädigst zu bewilligen. 10 Goethe, Schiller, Jean Paul fanden gleiche Beschützer, und wurden durch sie vor den Stürmen des Lebens und der Geschäfte geschützt. Sie wären ohne solchen Schutz sicher verkrüppelt, und Deutschland dazu, denn ohne diese Heroen (welchen ich mich nicht gleichstellen, aber nähern will) hätte 15Deutschland nie die geistige Einheit gefunden, welche jetzt alle Umtriebe von außen wie Spinnwebe zerreißt. Der Landmann wie der Rath sieht zuletzt doch nur auf seinen Fürsten. Er ist es, an den alles sich kettet. Darum, Durchlauchtigster Fürst, bitte ich um eine kleine directe 20Antwort auf diesen wagnißvollen Brief. Möchte sie günstig seyn! Und daß ich meinem Nachfolger die Auditeursachen in möglichster Ordnung überliefern werde (sollte ich auch ¼ Jahr daran arbeiten, denn sie sind sehr verwickelt) versprech' ich. 25 Mein Fürst! Durchlauchtigster Fürst und Herr! Ewr Hochfürstlichen Durchlaucht unterthänigster Grabbe / (Auditeur). |
| |