Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
Nr. 41, siehe GAA, Bd. V, S. 37thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Leipzig) an Adolph Henrich Grabbe, Dorothea Grabbe (Detmold)
Brief

20                                Handschrift Leipz. den 26
Febr. [1822.]
      Theure Eltern!

  Euern Brief vom 7 Febr. habe ich zu meiner großen Freude
erhalten. Ich bin gesund; möchtet Ihr es ebenfalls seyn.

25  Ich danke Euch innigst, daß Ihr meine Bitte bewilligt habt;
Ihr sollt nicht Ursache haben, es zu bereuen. — Wenn Berlin
auch weiter als Leipzig von Detmold entfernt ist, so kommt
doch die berliner Post weit schneller als die leipziger bei
Euch an.

30  Schmidts Georg läßt sich noch nicht blicken.

  Der Winter ist außerordentlich sonnig; wir machen fast
täglich Handschrift Spazirgänge auf die nahen Dörfer.

  Mein Stück kommt täglich seiner Beendigung näher; ehe
ich es aber verlege, werde ich es mehreren Theaterdirectionen
35anbieten; es wird mich gewiß sehr berühmt machen. Doch!
wir wollen warten bis es fertig ist.

  Viel Neues gibt es hier nicht; der berüchtigte Kopf hat
entspringen wollen, ist aber wieder aufgefangen und durchgeprügelt
worden.

[GAA, Bd. V, S. 38]

 


  Man hat neulich, als man den hiesigen Galgen umriß, 3000
rthlr. darin gefunden. Wahrscheinlich ist das GeldHandschrift  während
der Schlacht darin versteckt. Im nächsten Monat wird hier
ein Friseur geköpft.

5  Für das Quartier in Berlin werde ich schon sorgen.

  Ich weiß nicht, weswegen Ihr mir schreibt, daß ich Betten
haben soll; ich habe sie nicht nöthig; Ihr seyd all zu gut
und all zu sorgfältig.

  Da es bald an Ostern geht, so bitte ich Euch, liebe Eltern!
10diesen Brief mir sehr schnell wieder zu beantworten. Verzeiht
es mir, wenn ich ihn Euch Etwas später als Handschrift gewöhnlich
geschickt habe. Ich scheue das Porto.

  Daß ich Euch über Alles liebe und ehre wißt Ihr. Stets
verharre ich

15als
Antwortet    
    mir        Euer treuer Sohn
    bald.                      ChD Grabbe.

 


41.

H: Doppelbl. in 40; 3½ S.
F: GrA
T: WBl IV 341—42, als Nr 8.
D: WGr IV 160—61, als Nr 11.

S. 37, Z. 33: Mein Stück, täglich [und] (Be-)endigung näher] Mit
Rotstift unterstr.; aRl mit Rotstift: NB H

S. 37, Z. 30: Schmidts Georg: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 37, Z. 1 f.
S. 37, Z. 33: Mein Stück: Die Tragödie „Herzog Theodor von
Gothland“.
S. 37, Z. 37—39: der berüchtigte Kopf hat entspringen wollen
[usw.]: Darüber wird der „Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung“
unterm 1. Februar aus Leipzig berichtet: „Am 26. Januar Abends
wurde dem berüchtigten Kopf sein zweites Urtheil vorgelesen, das
das Erste bestätigte, wodurch er zu 10jähriger Zuchthausstrafe und
zur Ausstellung am Pranger verurtheilt wird. Als er vom Rathhause
wieder in sein Gefängniß abgeführt wurde, benutzte er diese
Gelegenheit und entsprang. Sein Aufseher schrie hinter ihm her:
Haltet! Dieß ist der größte Spitzbube, den ich noch je gehabt habe.

[Bd. b5, S. 426]

 


Alles eilte sogleich nach und man holte ihn auf der Reichsstraße
wieder ein. Als man ihn um die Ursache seiner Flucht befragte,
gab er die Antwort: er habe sich ertränken wollen. Seine Mutter,
die ihn voriges Jahr auf seiner Flucht nach Amerika begleitete, liegt
jetzt im Lazareth krank.“ (Nr 40 vom 9. Februar, S. [2].)
  Auf der ersten Seite ihrer No 244 vom 1. September 1821 hatte
die „Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung“ die folgende Nachricht
gebracht: „Am 13. August und folgende Tage wurden die Effekten
des berüchtigten Kopf verauktionirt; er selbst hat gegen das wider
ihn gefällte Urtheil appellirt, und erwartet nun sein endliches
Schicksal.“ — Vgl. die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 33, Z. 7.