Nr. 40, siehe GAA, Bd. V, S. 36 | 11. Januar 1822 | | Christian Dietrich Grabbe (Leipzig) an Adolph Henrich Grabbe, Dorothea Grabbe (Detmold) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| | | Leipz. den 11 Jan. | Theure Eltern! | | 1822. | (Ich gratulire zum neuen Jahre.) Euren Brief habe ich zu meiner großen Freude erhalten. Ich bin gesund; möchtet ihr doch auch fröhlich und gesund 10seyn. Ihr müßt euch ja vor dem Husten und Schnupfen in Acht nehmen; auch solltet ihr euch die Kuhpocken einoculiren lassen. Der Pastor Althaus sollte erst ordentlich predigen lernen; ehe er an den Missionsverein dächte. Sie sollten die Heiden 15Heiden und die Christen Christen seyn lassen. Während der Ferien bin ich hier geblieben. Daß Ihr ein Schwein gekauft habt, freut mich sehr. Die Neujahrsmesse ist für eine Wintermesse recht lebhaft. Neulich wurde hier ein im Duell erschossener Student von 20seinen Bekannten feierlich begraben. Seit einigen Tagen ist es hier kälter geworden. Ich bin bald (sehr bald) so weit, daß ich mich um alle lippischen Räthe, Assessoren ect. nicht mehr zu bekümmern brauche; Ihr könnt mir das glauben; es ist keine Prahlerei; meine oft böse Laune hat mich nur immer 25aufgehalten und hält mich auch jetzt noch oft auf. Ihr müßt Euch aber an das Wort „böse Laune“ nicht stoßen; das bedeutet nur so viel als eine Stunde, wo ich nicht recht lustig bin. Unter meinem Fenster stehen Seifensieder- und Leineweber-Buden; 30da solltet Ihr das Schimpfen hören; gestern schimpfte eine Seifensiederinn einen andern Seifensieder 4 Stunden lang in einem Athem aus. Zum Prügeln kommt es aber niemals. Ich esse jetzt sehr stark beim Mittagstische; ich habe bei der eingetretnen Kälte tüchtigen Appetit bekommen. 35 Mir standen die Thränen in den Augen, als ich in Eurem vorigen Briefe las, die Mutter hätte meinen Brief geküßt; so viele Liebe verdien' ich nicht und die Mutter kann mir glauben, daß es mir recht gut geht. Wie geht's dem Werkmeister? [GAA, Bd. V, S. 37] Von Schmidts Georg steht ein Aufsatz aus Detmold in der Abendzeitung; weiß man, wer ihn gemacht hat? Hier gehen viele russische Courire durch; über mir wohnen jetzt 2 Studenten aus Petersburg, die anfangs keinen einz'gen 5Menschen in ganz Leipzig kannten. Neulich starb hier einer der reichsten Geizhälse, der Prof. Kees; er hat 2½ Million hinterlassen; wegen der Mitgift litt er es nicht, daß sich seine Töchter verheiratheten; aber dennoch wurden schon drei bei seinen Lebzeiten entführt. 10 Auch wird hier bald ein Friseur hingerichtet werden; er ist ein alter Kerl und hat nichtsdestoweniger ein altes Weib aus Eifersucht erstochen. Man richtet hier die Delinquenten mitten in der Stadt, auf dem Markte hin. 15 Meine Stube wird schon von 3 Holzstücken warm. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich in Gedanken nicht so schön geschrieben habe, wie ich schreiben wollte. In 12 Tagen schreibe ich wieder.Euer treuer Sohn ChDGrabbe. |
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