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Nr. 35, siehe GAA, Bd. V, S. 29thumbnail
Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Detmold)
Brief


[Detmold.] 21ten Aug 20 Handschrift 8te Brief

   Lieber Christian!

  Deine Briefe vom 10ten u. 16ten Aug. haben wir den
2015ten u. 19 ejusd. erhalten und zu unserer Freude ersehen,
daß Du Deine Sachen richtig erhalten und noch gesund bist,
welches wir auch Gottlob noch sind. Deine Mutter war voller
Freude, wie der Brief kam u. sah, daß derselbe mit dem
Dir geschickten Siegel gesiegelt war, da war alle Angst verschwunden.
25Mit den Büchern von Möbius ist alles in Richtigkeit.
Wir haben den 24ten Auction u. haben viel zu thun.
Neues gibt es eben nicht, blos der Fiskal, muß jetzt wieder
über 2000 rthlr. bezahlen, welches Geld er schon lange jährlich
von der Casse bezogen u. nicht bezahlet hat. Die Gelder
30gehören einen ehemaligen Informator Schmerber der bei dem
Prinzen August war und in Mühlhausen in der Schweitz
wohnt. Sein Bruder der Cons. Secr. will das in sein Haus
leihen u. bezahlen u. soll gesagt haben, er dürfe seinem
Bruder doch nicht sinken lassen. Mit den Schneider Gesellen
35hätte ich sehen müßen, dies mußte ein schöner Anblick sein.

  Gestern vor 8 Tagen sind Deine Mutter u. ich von dem
Rath nach seinem Garten genöthigt gewesen, da haben wir
Dich hochleben lassen u. ordentlich angestoßen, der alte Rath
war recht aufgemuntert.

[GAA, Bd. V, S. 30]

 


  Daß die Reise nach Grima nichts bedeutendes gewesen ist,
haben wir in den Zeitungen gelesen, da war Deine Mutter
schon beruhiget, als sie las es käme vom Tobacksrauchen her,
weil sie weiß, das Du nicht rauchtest.

5  Handschrift Wir haben ein Paar Wilddiebe aus dem Paderbornschen
ins Zuchthaus gekriecht, der eine muß 4 der andere 5 Jahre
sitzen.

  Um Dir von Deinem Gelde zu unterrichten.

  Die Pistolen zu 5 rthlr. 18 gr. gerechnet hast Du im ganzen
10was ich Dir berechne, die letzten 10 Pistolen mit gerechnet,
vom Archivrath aber nicht, die gehoren Dein --- 238 rthlr.
wenn die Reise nach Leipzig nun davon ungefähr

                                 rthlr.
Dein Logie diesen Sommer mit Trinkgeld
15p -------- auch -------- 40        80

                                 rthlr.
die zu verzehren übrig.
Die erste Zeit kostet alles
mehr u. ich denke wenn Du
20da noch bis künftigen Ostern ------        150 erhältst
wovon Du aber den Deine Stube bezahlen mußt.

im ganzen dazu erhältst ------            308 rthlr.
Deine Mutter meint das mit den Betten so nicht,
sie meint, wenn Du eine Stube miethest müßten
25Dir Betten geliefert werden.

  Deine Mutter will wissen ob der Oel auch ganz geblieben
ist,

Franke 70½ St

 


35.

H: 1 Bl. in 20; 1 S.
F: GrA
T: Gegenw. S. 11. (Dort unter dem falschen Datum des 3. Juli.)
T1: WBl IV 609.

S. 30, Z. 2: Mutter] fehlt H
S. 30, Z. 4: weiß,] fehlt H
S. 30, Z. 21: Stube] Stu H

S. 29, Z. 25: Mit den Büchern von Möbius: Unbekannte Angelegenheit.

S. 29, Z. 26: Wir haben den 24ten Auction: der bei der Leihbank
in Detmold über ein Jahr lang unverzinst gelassenen Pfänder.
S. 29, Z. 27: der Fiskal: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 26, Z. 11.
S. 29, Z. 30 f.: einen ehemaligen Informator Schmerber der bei
dem Prinzen August war [usw.]: Casimir August (1777—1809) war
der jüngere Bruder Friedrich Wilhelm Leopolds, der 1782 zur Regierung
kam. Schmerber, später mit dem Titel eines Hofrats, ist
1784 als Hofmeister des Prinzen angenommen und unterm 6. Juni
1793 entlassen worden, weil man mit seinem Verhalten unzufrieden
war. Bei seiner Verabschiedung wurde die ihm am 14. Februar 1784
erteilte Versicherung erneuert, daß er sein bisheriges Gehalt zu
240 Rtlrn. jährlich bis zu seiner anderweitigen Versorgung erhalten
solle. Vgl. „Verfolg des Prinzen August Erziehung, Entlaßung des
Hofmeisters Schmerber und die Annahme eines neuen betreffend
1790—93“ (StAD. L 77 B. Fach 2 F Nr. 12), Bl. 191.
S. 29, Z. 32: Sein Bruder der Cons. Secr.: Johann Christian Althof
(1779—1857), der vierte Sohn (das zehnte Kind) des Hofpredigers,
unterm 4. Juni 1811 zum Herrschaftlichen Richter in Detmold,
unterm 28. April 1815 als Nachfolger Clostermeiers zum herrschaftlichen
Commissarius bei der Detmolder Polizei- und Einquartierungs-Kommission
ernannt; unterm 16. Juni 1818 wurde ihm die durch
die Dienstentlassung des Konsistorialsekretärs Knoch erledigte Stelle
konferiert. Unterm 17. November 1824 außerordentlicher, unterm
5. Oktober 1830 ordentlicher Assessor des Kriminalgerichts. Gestorben
in seinem 73. Lebensjahre als Justizkanzlei-Rat.
S. 30, Z. 1: Daß die Reise nach Grima [usw.]: Darüber berichtet
die „Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung“ in ihrer No 220 vom
7. August, S. [1]—[2], aus „Leipzig, vom 31. Juli“ Folgendes:
  „Vor acht Tagen war Vogelschießen in Grimma, wobei sich auch
mehrere Studirende aus Leipzig eingefunden hatten. Einer derselben
ging mit einer Tabakspfeife in der Hand vor einer Bürgerschildwache
vorbei, die daher diesen Studirenden, der sich auch an
der dabei stehenden Fahne versündigt haben sollte, auf eine ungeziemende

[Bd. b5, S. 414]

 


Weise behandelte. Es kam zum Wortwechsel und zwei
Studirende wurden verhaftet. Als dies in Leipzig bekannt wurde,
zog eine ziemliche Anzahl Studirender zu Pferde, zu Wagen und
zu Fuß nach Grimma, um die Freiheit ihrer Commilitonen durch
mündliche Unterhandlungen zu bewirken, allein diese waren schon
frei. Man söhnte sich sogleich aus, wie es allen braven Sachsen
geziemt, die nie Zwietracht trennen darf.“
S. 30, Z. 5: ein Paar Wilddiebe aus dem Paderbornschen: Heinrich
Flüter oder Pöhler und Johann Heinrich Born vom Diekwater
im Fürstentum Paderborn.
S. 30, Z. 28: Franke 70½ St: Hat offenbar mit dem Brieftexte
nichts zu tun, rührt vielmehr von einer anderweiten Benutzung des
Blattes her.