Nr. 263, siehe GAA, Bd. V, S. 298 | 15. März 1830 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| 15 Lieber Freund, ich bin wieder ziemlich gesund. Aber Geschäfte. Doch die Advocatur habe ich abgegeben, und widme mich nun mehr der Muse. Napoleon wird gut. Heinrich VI ist es aber doch auch. Westphälische Blätter loben mich, aber error, wenn Du 20die Zögerung des Barbarossa dem D. J. u. F. zuschreibst. D. J. u. F. ist besser und Gothland wurde noch schlimmer recensirt. Die Feenscenen aus Aschenbrödel könntest zum Gesellschafter schicken, mit der Notiz, sie hätten zwar schon in den Münsterischen Unterhaltungsblättern gestanden, aber der Gesellschafter 25sey weiter verbreitet pp. Gubitz will caressirt seyn und die Scenen Act. II, 1—3 (ja bis an's Ende, auch die Ratte mit, wie in den Unterhaltungsblättern) sind herrlich. Schreib ihm, ich hätte den Arm gebrochen, sonst würde ich ihm selbst geschrieben haben. Ich hätte Dir nur ein dictirtes Billet schicken 30können. Wo bleiben meine übrigen Selbstrecensionen vom D. J. u. F. Treib Menzel. Grüß ihn von mir. Schreib ihm, ich ließe mich bedanken, litte aber grade an einem zerschmetterten Arm. Barbarossa müssen wir poussiren. Nebenliegende Selbstrecension 35fülle aus (mit den angedeuteten Citaten) und corrigire. Ich flehe. Gib sie Meseritz. Napoleon wird ungeheuer. Frische Kraft in mir. Ich trinke weniger. [GAA, Bd. V, S. 299] Auf den Witz von Wist beian antworte verneinend, wie natürlich. Er speculirt immer und kann mit den 24 rthlrn. monatl. gut zufrieden seyn. Ich mußte nur so etwas thun. Um mir Ruhe zu schaffen erkläre doch, daß ich die 24 rthlr. 5frei erhielte, wenn ich nur nach Muße für Dich arbeitete. Ich will fleißig seyn. Die Literaturgeschichte — Bis zum nächsten Briefe. Goethes Briefwechsel mit Schiller hat mich so geärgert, daß ich über Goethe schreiben möchte. 10 Befördere doch alle Recens. über D. J. u. F. u. B., wenn auch, was ich wünschte, und zwar sehr, eine in die Didascalia. — Napoleons Cuirassiere und la Fleur. Recruten kommen. | | Dein | Detm. d. 15t März 1830. | | steter Grabbe. | 15 (Frankiren konnt' ich nicht. Aber nächstens wohl. Pässe kommen.) Treib Heinr. VI. Nächstemal auch die Druckfehler des Barbarossa. [Adresse:] An die Hermannsche Buchhandlung Wohllöblich 20(Herrn Buchhändler Kettembeil) in Frankfurt am Main. |
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263.
H: Doppelbl. in 20; 1⅔ S., Adresse auf S. 4.
Auf S. 4: Abgangsstempel: DETTMOLD 17/3 Ankunftsstempel:
FRANKFURT 19. MART 1830 Vermerk des Empfängers: 1830
Grabbe in Detmold den 15 Maerz
F: GrA
S. 298, Z. 31: Selbstrecensionen] Selbstrecension H
S. 298, Z. 19: Westphälische Blätter loben mich: Das „Rheinisch-Westphälische
Korrespondenzblatt“ brachte im 14ten Stücke vom
18. April 1829, Sp. 220, einen aus Detmold vom 2. April datierten
Bericht über die dortige Aufführung des „Don Juan und Faust“.
Dieser wird darin eine „hochpoetische“ Tragödie genannt und dem
Verfasser prophezeit, daß er gewiß einst den großen Dichtern
Deutschlands werde zugereiht werden. Im „Rheinisch-Westphälischen
Anzeiger“ Nr 43 vom 30. Mai wird sodann (Sp. 327—34) der
Monolog des Faust abgedruckt, mit einer kurzen Einleitung, in welcher
festgestellt wird, daß man, welche Vorwürfe man auch, mit
Recht und Unrecht, den Werken Grabbes mache, darin übereinstimme,
daß sich in ihnen „eine ungewöhnliche poetische Kraft
und wirkliche Originalität des Geistes und Strebens offenbare“.
Dem „Kaiser Friedrich Barbarossa“ sind zwei Beiträge zum „Rheinisch
-Westphälischen Anzeiger“ gewidmet. Der erste findet sich in
Nr 68 vom 26. August, Sp. 1313—24, der zweite in den Nrn 71
und 72 vom 5. und 9. September, Sp. 1377—82 und Sp. 1399—1403;
jener ist mit „H. F.“ unterzeichnet, dieser mit „T. P.“ Der erste
Beitrag stammt aus einem Briefe an den Herausgeber der Zeitschrift,
der den Verfasser aufgefordert hatte, seine Meinung „über diese
neueste Gabe unsers trefflichen Dichters“ zu äußern. Dieser Verfasser
beginnt mit dem Bekenntnis, daß die Dichtung im Ganzen
ihn so wenig als Immermanns „Friedrich II.“ befriedigt habe. Er
teilt sodann längere Proben mit, in denen der Dichter „seine schon
sonst bewiesene Meisterschaft wieder aufs Erfreulichste“ beurkunde,
er gesteht, daß er ihm, hätte er ihn vor sich, die Hand drücken
würde „voll herzlichen Dankes für so herrliche Gabe“, daß aber
„der hinkende Bote des kritischen Urtheils“ nicht ausbleibe und
ihm den schönen Eindruck der Dichtung mit Glossen und Fragen
versalze. Jedoch möchte er nicht mit ihnen schließen und des Herausgebers
„gute Meinung von dem gediegenen Werthe der herrlichen
Dichtung schmälern“; darum lenkt er das Augenmerk noch auf die
„köstlich gezeichnete Figur des priesterlichen Kriegers Hermann,
Grafen von Buch und Erzbischof von Mainz“. Noch weniger befriedigt
ist T. P. Er beginnt seine Rezension mit dem Urteil, daß die
Vereinigung des Historischen mit dem Dramatischen eine Klippe sei,
an der auch diese Tragödie Schiffbruch erlitten habe. Er hat in ihrer
dialogisierten Geschichte, trotz aller Mühe, nichts besonders Tragisches
finden können, und faßt gegen Ende der Arbeit seinen Eindruck
in den folgenden Sätzen zusammen: „Ohne nun noch einzelne
gelungene Stellen anzuführen, die dem Leser nicht entgehen werden,
bemerken wir nochmals, daß auch nur Einzelnes als gelungen zu
betrachten, indem das Ganze aller innern Einheit entbehrt. Da
[Bd. b5, S. 612]
kommt nichts Unerwartetes, was uns überraschen; nichts Verwickeltes,
was unsere Aufmerksamkeit spannen könnte; kein Widerspruch,
dessen Auflösung wir pochenden Herzens entgegensähen; nichts entwickelt
sich wirklich aus dem Vorhergehenden; Alles besteht in
dem trockenen, kalt und theilnahmlos lassenden Aneinanderreihen
von historischen Begebenheiten, ohne künstlerische Verknüpfung.“
Siehe „Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik“, hrsg. von
Alfred Bergmann, Bd 2, Detmold 1960, S. 38—39, unter Nr 4;
Bd 3, Detmold 1961, S. 8—16 und 17—24 unter den Nrn 3 und 4.
S. 298, Z. 22 f.: Die Feenscenen aus Aschenbrödel könntest zum
Gesellschafter schicken [usw.]: Ob dies geschehen, ist nicht bekannt,
sicher nur, daß die Zeitschrift sie nicht gebracht hat.
S. 298, Z. 32 f.: Schreib ihm, ich ließe mich bedanken: für Menzels
Besprechung der „Dramatischen Dichtungen“ in No 29 des
„Literatur-Blatts“ zum „Morgenblatte“ vom 10. April 1829. (Die
Besprechung des „Don Juan und Faust“ ist im „Literatur-Blatte“ erst
im Juli 1830 erschienen, und Briefe Menzels an Grabbe aus der Zeit
vor dem März 1830 sind weder bekannt noch bezeugt.)
S. 299, Z. 10 f.: Befördere doch alle Recens. über D. J. u. F.
u. B., wenn auch [...] eine in die Didascalia: Die Zeitschrift hat
bis zum Ende des Jahres weder eine Anzeige noch eine Besprechung
der genannten Werke gebracht.