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Nr. 134, siehe GAA, Bd. V, S. 183thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.)
Brief

                Handschrift Bester Freund!

  Diesen Brief schreibe ich in einiger Eile, denn in ½ Stunde
geht die Post ab. Erstlich muß ich Dich fragen, wie geräthst
35Du an unseren älteren, im Ruhestande lebenden Hofmarschall
v. Blomberg? Der Mann kann nichts anderes als bigotte
Bücher von Dir erhalten haben; ich glaube, er ist Pietist. Die
3 rthlr. 9 gr. hat er mir recht höflich zugesandt, — was

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mache ich mit dem Gelde? Es ist kaum das Porto werth, soll
ich es Dir sofort zuschicken oder sollen wir auf Gelegenheit
warten, wo ich es z. B. in Cassenscheinen in irgend eine andere
Übersendung einflicken könnte? — Hast Du in Detmold Aufträge,
5so stehe ich stets unbedingt zu Dienst. Ja, Du traust
meiner Gefälligkeit zu wenig, und freilich kommt es bei mir
darauf an, wer sie fodert. — Daß Sulla Dir so gefällt, ist
mir angenehm und überraschend. Vielleicht ist es gut, daß
wir den Herren Leuten zum Theil nur einen Entwurf vorlegen,
10— sie sehen, wie man entwirft. Die Ausführung wird den
Entwurf überbieten. — Der gute Professor Herling, mit der
quäkenden Stimme, ist doch wohl nicht so ganz contrair wie
Du glaubst. Er hat hier das Gerücht verbreitet, ich würde ein
furchtbares Stück über die Hohenstaufen schreiben, ja, der
15Hr. Meier, welcher trotz seines Reichthums diesen Hrn. Herling
(seinen Stiefbruder) anbetet, wird sichtbar unterthäniger
und geneigter gegen mich. Du lieber Gott, wir werden mit
unseren Sachen viel erleben, viel Tadel, viel Lob, viel Unverstand,
— scio,, — aber vor den Kopf schlagen wir doch. —
20Daß Buchdrucker, Setzer sich allmählig belehren, freut mich,
— wir wollen das Volk auf die Letzt schon proben. Die liebe
Nannette; ich gebrauche sie als eine Hure, sie zieht die Narren
an. — Westphalens Schriftsteller und Journalisten kriege ich
allmählig auf die Seite, Hrn. Glanzow oder Pustkuchen darunter.
25Tiecks Brief ist eine gute Ouverture, meine Glossen
und Vorreden sind aber auch obligat. — Der Gothland ist
freilich sehr hart, — die Leute irren sich aber, wenn sie die
Nannette weicher glauben, — Leben und Liebe ist darin wie
eine Seifenblase behandelt, v. das Ende. Ich werde aber
30fortan mit mehr Kunst die Natur verhüllen, und um so eher
vielseitig werden, als Furcht vor Langerweile mich dazu
zwingt. Handschrift Mr. Gothland ist in der Handlung reine Erfindung,
obwohl ich, eh' ich ihn begann, aus angeborener Liebe nordische
Natur und Geschichte studirt hatte. Es gibt in der
35nordischen Historie einen Erik Blutaxt, — der möchte
in einigen Puncten an Gothland erinnern. — Die Versicherung,
daß die Stücke Ende dieses Monats gedruckt seyn werden,
ist mir sehr lieb, — ich bitte, wenn Du auch nach anderen
Orten später versendest, mich und die Meiersche Buchhandlung
40in Lemgo vorweg zu nehmen. Ich schlage gern 2 Fliegen
mit einer Klappe — unser Theater, welches zwar schlecht ist,

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aber doch dem weil. Leipziger de 1820 pp nicht nachsteht,
und sicherere Fonds hat, ist eröffnet, — seine größte Schützerin
ist unsere Fürstin, diese soll sich aber sehr der Geburt eines
Kindes nahen, — vor diesem Zeitpuncte möchte ich losrücken.
5Es bedarf nur wenigen Steinbrechens, — die Hrn. u. Mds
Schauspieler beben schon vor meinen Controllen, sie können in
Westphalen ohne meinen Edelmuth nicht ruhig existiren.

  Willst Du die Sachen brochiren lassen? So zeig das ja in
der Ankündigung mit einem „geheftet“ an. („Broch.“ versteht
10mancher nicht.)

  „Zäh und kühn“ mein Wahlspruch, auf die Beine kommen
wir. Besseres, immer Besseres zu liefern, ist für einen Menschen,
der sich selbst kennt, auch nichts großes. Selbstkenntniß
ist eine Landcharte, worin die Berge verzeichnet sind, in denen
15die Metallgruben liegen. Jeder Mensch hat so viel Talente
als der Andere in sich verborgen, — er muß nur wissen, wie
und wann er sie zu Tage bringt. Die Menge ist eine Bestie, —
darum imponirt. — Sieh, lieber Freund, ich wollte Dir
schnell antworten, muß aber jetzt kurz schließen, es schlägt
209 Uhr und die Post rückt ab. Wenn ich nur gut zusiegle, —
das ist meine Force nicht. Nur bitte ich Dich meiner nicht zu
vergessen, sondern zu denken an Deinen Freund,

den treuen alten Grabbe oder sep. + b.

  Detmold den 23st Sept. 1827.

25[Adresse:] Handschrift Sr Wohlgeboren dem Herrn Buchhändler Kettembeil
(Hermannsche Buchhandlung) in Frankfurt am Main.
Frei.

 

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1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Adolph Henrich Grabbe  — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822
1823Adolph Henrich Grabbe  — Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Fürstlich Lippische Regierung  — Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Louise Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Christiane Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Carl Georg Schreiner  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
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