Nr. 134, siehe GAA, Bd. V, S. 183 | 23. September 1827 | ![thumbnail](/Grabbe/Faksimiles/Briefe/small/G05B0134_01small.jpg) | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.) | Brief | | | | Vorangehend: ![](/icondir/lettericon.png) | Nachfolgend: ![](/icondir/lettericon.png) |
| Bester Freund! Diesen Brief schreibe ich in einiger Eile, denn in ½ Stunde geht die Post ab. Erstlich muß ich Dich fragen, wie geräthst 35Du an unseren älteren, im Ruhestande lebenden Hofmarschall v. Blomberg? Der Mann kann nichts anderes als bigotte Bücher von Dir erhalten haben; ich glaube, er ist Pietist. Die 3 rthlr. 9 gr. hat er mir recht höflich zugesandt, — was [GAA, Bd. V, S. 184] mache ich mit dem Gelde? Es ist kaum das Porto werth, soll ich es Dir sofort zuschicken oder sollen wir auf Gelegenheit warten, wo ich es z. B. in Cassenscheinen in irgend eine andere Übersendung einflicken könnte? — Hast Du in Detmold Aufträge, 5so stehe ich stets unbedingt zu Dienst. Ja, Du traust meiner Gefälligkeit zu wenig, und freilich kommt es bei mir darauf an, wer sie fodert. — Daß Sulla Dir so gefällt, ist mir angenehm und überraschend. Vielleicht ist es gut, daß wir den Herren Leuten zum Theil nur einen Entwurf vorlegen, 10— sie sehen, wie man entwirft. Die Ausführung wird den Entwurf überbieten. — Der gute Professor Herling, mit der quäkenden Stimme, ist doch wohl nicht so ganz contrair wie Du glaubst. Er hat hier das Gerücht verbreitet, ich würde ein furchtbares Stück über die Hohenstaufen schreiben, ja, der 15Hr. Meier, welcher trotz seines Reichthums diesen Hrn. Herling (seinen Stiefbruder) anbetet, wird sichtbar unterthäniger und geneigter gegen mich. Du lieber Gott, wir werden mit unseren Sachen viel erleben, viel Tadel, viel Lob, viel Unverstand, — scio,, — aber vor den Kopf schlagen wir doch. — 20Daß Buchdrucker, Setzer sich allmählig belehren, freut mich, — wir wollen das Volk auf die Letzt schon proben. Die liebe Nannette; ich gebrauche sie als eine Hure, sie zieht die Narren an. — Westphalens Schriftsteller und Journalisten kriege ich allmählig auf die Seite, Hrn. Glanzow oder Pustkuchen darunter. 25Tiecks Brief ist eine gute Ouverture, meine Glossen und Vorreden sind aber auch obligat. — Der Gothland ist freilich sehr hart, — die Leute irren sich aber, wenn sie die Nannette weicher glauben, — Leben und Liebe ist darin wie eine Seifenblase behandelt, v. das Ende. Ich werde aber 30fortan mit mehr Kunst die Natur verhüllen, und um so eher vielseitig werden, als Furcht vor Langerweile mich dazu zwingt. Mr. Gothland ist in der Handlung reine Erfindung, obwohl ich, eh' ich ihn begann, aus angeborener Liebe nordische Natur und Geschichte studirt hatte. Es gibt in der 35nordischen Historie einen Erik Blutaxt, — der möchte in einigen Puncten an Gothland erinnern. — Die Versicherung, daß die Stücke Ende dieses Monats gedruckt seyn werden, ist mir sehr lieb, — ich bitte, wenn Du auch nach anderen Orten später versendest, mich und die Meiersche Buchhandlung 40in Lemgo vorweg zu nehmen. Ich schlage gern 2 Fliegen mit einer Klappe — unser Theater, welches zwar schlecht ist, [GAA, Bd. V, S. 185] aber doch dem weil. Leipziger de 1820 pp nicht nachsteht, und sicherere Fonds hat, ist eröffnet, — seine größte Schützerin ist unsere Fürstin, diese soll sich aber sehr der Geburt eines Kindes nahen, — vor diesem Zeitpuncte möchte ich losrücken. 5Es bedarf nur wenigen Steinbrechens, — die Hrn. u. Mds Schauspieler beben schon vor meinen Controllen, sie können in Westphalen ohne meinen Edelmuth nicht ruhig existiren. Willst Du die Sachen brochiren lassen? So zeig das ja in der Ankündigung mit einem „geheftet“ an. („Broch.“ versteht 10mancher nicht.) „Zäh und kühn“ mein Wahlspruch, auf die Beine kommen wir. Besseres, immer Besseres zu liefern, ist für einen Menschen, der sich selbst kennt, auch nichts großes. Selbstkenntniß ist eine Landcharte, worin die Berge verzeichnet sind, in denen 15die Metallgruben liegen. Jeder Mensch hat so viel Talente als der Andere in sich verborgen, — er muß nur wissen, wie und wann er sie zu Tage bringt. Die Menge ist eine Bestie, — darum imponirt. — Sieh, lieber Freund, ich wollte Dir schnell antworten, muß aber jetzt kurz schließen, es schlägt 209 Uhr und die Post rückt ab. Wenn ich nur gut zusiegle, — das ist meine Force nicht. Nur bitte ich Dich meiner nicht zu vergessen, sondern zu denken an Deinen Freund, den treuen alten Grabbe oder sep. + b. Detmold den 23st Sept. 1827. 25[Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Buchhändler Kettembeil (Hermannsche Buchhandlung) in Frankfurt am Main. Frei. |
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