Nr. 133, siehe GAA, Bd. V, S. 181 | 01. September 1827 | | Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.) | Brief | | | | Vorangehend: | Nachfolgend: |
| 25 Bester Freund, anbei das Manuscript, welches nach meiner Berechnung 2½ Druckbogen füllt. Sollte noch etwas fehlen, so mußt Du hier und da etwas splendid drucken lassen, oder mir Nachricht zu weiterer Arbeit geben, oder laß meinetwegen das in einem 30Briefe Dir übersandte Don-Juans-Stück sub titulo: Fragment aus Don Juan mitdrucken. Wüßtest Du die enorme Arbeit (sic), welche bei Ende der Ernteferien auf mich eindrängt, die Berge von durchzulesenden und zu fabricirenden Acten, die Masse Termine, die Berichte, 35die Briefe, meine Pomade, meine weitverbreitete Lecture, die ich selbst beim Schreiben oft nicht aufgebe, — so würdest Du die schlechte Pfote meiner anliegenden Handschrift entschuldigen. Das Ding enthält die Skizzirung vom Sulla usque ad finem. Weitere Ausführung als hier geschehen konnte ich nicht [GAA, Bd. V, S. 182] liefern. Ich hatte nur an 2 Tagen Zeit. Solche Skizzirung ist schon durch Schillers Demetrius dem Deutschen bekannt. Auch Goethe hat Ähnliches. Casu dient sie in Etwas, den Eseln zu zeigen, wo Sulla hinaus will. Ein Character wie Sulla ist 5noch auf keiner tragischen Bühne in der Art gewesen. Etwas hat der Mann auch, mit Ehren zu melden, von mir. Hier und da habe ich poetische Verse zur Erbauung eingeflickt. Stehen irgendwo noch Schreibfehler, so bitte ich um Deine Correctur. 10 Die Shakspearo-Manie auszudehnen, ging nicht. Ich habe keine Handschrift von ihr. Auch schadet ihr die Breite. Sie ist ein Kern, aus dem ich, wenn er in den Shakspearo-Manen aufgeht, Apfelbäume ziehe. Sie macht ganz ohne Zweifel großen Effect. Die Zeit ist zu solchem Angriff so reif, daß, 15wenn ich nicht damit erschiene, gewiß irgend ein Anderer käme. Unsere Dramen übrigens müssen wirken. Ich habe mich sehr bedacht, ehe ich jetzt deren Publication beförderte. Das klare Resultat ist: tüchtige Wirkung erfolgt. — In so etwas 20täusche ich mich selten. Mehrere Stücke, vorzüglich Gothland, geht in Extreme aller Art, bis in den Vers; (den Vers hätte ich leicht verbessern können, aber theils ist er berechnet, theils gehört er zum Gothland wie das Fell zur Hyäne) aber ganz unläugbar ist ein Haufen Poesie darin, wie man sie jetzt 25nirgends findet. — Ich wollte Üchtritz wäre ein bischen berühmter; ich ließe den Brief an Puteani drucken, worin er mich schon wegen meines Lustspiels für eine der außerordentlichsten Erscheinungen erklärt. Wirkt das Lustspiel so auf einen Uechtritz, so ist Hoffnung bei Anderen noch viel mehr da. Die 30Volksmasse erkennt das Echte, auch im Curiosen. Wenn ich wollte, habe ich noch stets gegen das Publicum, welches mir gegenüberstand, gesiegt. Daß Du schon bei Absenden Deines letzten Briefes am 18t Bogen des Gothlands gewesen ist mir lieb. Ich bitte Dich 35befördere diesen Monat die Pastete ganz zu Ende: ich habe einen Schlag vor. Du kannst ihn ahnen; bringt er mir Nutzen, so auch Dir. Etwas vor Ende dieses Monats sähe ich gern Deine Ankündigung im Intelligenzblatt. Unser Fürst kommt früher zurück als ich vermuthete, er ist schon in Kurzem 40allhier. Die Westphälischen Zeitschrifts-Redactoren mache ich hier und da, mittelst einiger halbpiquanter Correspondenzbrocken, [GAA, Bd. V, S. 183] zu meinen Freunden. Auch nicht sonder Grund. Dr. Gans in Berlin wird mir durch einen Orientalisten bekannt, nämlich dem Dr. Rose (den Unschuldigen), jetzt expectivirter Gesandschaftssecretair nach Constantinopel. Herr Gans 5schreibt in Berliner Journalen. Daß Du an Berlin und dabei an mich denkst, sitzt mir wohlthätig in der Brust. Du characterisirst unsere Berliner Periode sehr gut, indem Du sie als die Periode der Pomade andeutest. Nichts störte uns. Aber das vergebe ich Dir nicht, 10daß Du nicht einmal den Namen des Hrn. Restaurateurs Fiedler, des Platzes auf dem er wohnte (Petriplatzes), nennen willst. Und der Mr. Du Plant in der Taubenstraße: „steck' er das Lamm an!“!! Recte, daß Du die Pütschel geärgert hast. Mit meinen Medicingläsern habe ich die Leipziger Madame 15Georgi auf ähnliche Art erfreut. Auch der Stiefelwichser, der in einer wahren Bürst-Manie versirte, und meine ohnehin abgetragenen Röcke in Stücken zu bürsten drohte! Weißt Du wie wir ihm eins von den Gulden-Rosinanten auf dem Opernplatze kaufen wollten, damit er die Stiefeln zu Pferde bringe? 20Wie manches Buch, wie mancher Pfeifenkopf ist 50mal von uns besehen. Unsere Wißbegier war dämonisch, unersättlich. Ja, uns in Berlin zu begegnen, wäre hübsch; ich würde nicht fehlen. „Erst das vergangne ist das wahre Glück“ sagt Cäcilia, und sie hat recht. Dort könnten wir, wie Du so wahr 25sagst, Vergangenheit und Gegenwart vereinen. Ich muß (es erscheinen Clienten) jetzt schließen, und harre auf Antwort als Dein treuer Grabbe. Detmold den 1 September 1827. 30[Adresse:] An den Herrn Buchhändler Kettembeil Wohlgeboren. |
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