| [GAA, Bd. IV, S. 42] wie man am Wintermährchen, Sommernachtstraum pp sehen kann) hätte den Leuten Bedenken einflößen sollen. Und dann, — ist Julius Cäsar nicht die Seele des Ganzen? soll er nicht noch nach seinem Tode als erscheinender Geist (welche 5Erscheinung im Drama betrübt und dürftig, im Plutarch ergreifend ist) fortwirken? Interessirt er nicht schon deshalb mehr als Brutus, Cassius und Consorten, weil alle diese Leute sich gegen ihn verschwören? Zieht nicht jeden empfindenden Menschen der Punct am meisten an, wider den die 10meiste Thätigkeit gerichtet ist? Und verliert sich nach Cäsars Tode nicht alles dieß, indem plötzlich zwei untergeordnete Individuen, Brutus und Cassius, uns von nun an mit ihren Schicksalen allein anziehen sollen? Schlimmer ist fast noch die Behandlung, welche Shakspeare, 15der oft so große Menschenkenner, dem Character des Cäsar hat angedeihen lassen. Julius Cäsar, in der Geschichte der einfachste, scharfsinnigste, liebenswürdigste aller Menschen, ist im Shakspeare zu einem Phrasen machenden Rennomisten geworden. Nur die Beziehungen, welche alle übrigen 20Personen des Dramas auf ihn nehmen, retten ihn in etwas als dramatische Hauptperson, machen aber just dadurch diese Personen noch unfähiger, nach seinem Tode seine Rolle fortsetzen zu wollen. Hierbei betrachte man die Art, wie Shakspeare das Volk 25behandelt. Volksscenen gehören zu seiner Hauptstärke, jedoch nur Scenen des englischen Volkes. Gegen die Franzosen z. B. trägt er einen Nationalhaß, der dem Effecte seiner Dramen aus den französisch-englischen Kriegen sogar schadet, indem er seine Engländer mit Gegnern kämpfen läßt, deren 30Besiegung sie nicht ehren kann. Und die Römer! Im Julius Cäsar konnte Shakspeare sie als „Narren“ behandeln, denn zu der Zeit waren sie schon längst als Römer untergegangen, — er hat aber, obgleich hier nur Volksscenen die Möglichkeit erklären konnten, daß je ein Mensch wie der 35shakspearische Cäsar die Welt beherrschte, sich mit einer flachen Berührung derselben begnügt. Dagegen erscheinen im Coriolan die Römer als wahrer „elender, kindischer Pöbel“, mit Fleiß und Liebe dazu ausstaffirt. Nie scheint Shakspeare begriffen zu haben, was zur Zeit Coriolans 40der Kampf der Patricier und Plebejer sagen wollte, wie dieser |
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