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[GAA, Bd. IV, S. 436]

 


Verweis zum Text Briefe an Kettembeil vom 23. September ein, wo es u. a.
heißt: „Ich schlage gern 2 Fliegen mit einer Klappe, — unser
Theater, welches zwar schlecht ist, aber doch dem weil.
Leipziger de 1820 pp. nicht nachsteht und sicherern Fonds
hat, ist eröffnet, — seine größte Schützerin ist unsere Fürstin,
diese soll sich aber sehr der Geburt eines Kindes nahen, —
vor diesem Zeitpunkte möchte ich losrücken. Es bedarf nur
wenigen Steinbrechens, — die Hrn. und Mds. Schauspieler
beben schon vor meinen Kontrollen, sie können in Westfalen
ohne meinen Edelmut nicht ruhig existieren.“

  Grabbe betrachtete sein Unternehmen als einen Feldzug.
Demgemäß ähnelte seine innere Haltung der des Soldaten.
Bei der Zähigkeit der Widerstände, die es zu überwinden
galt, glaubte auch er, zur Wahl kräftiger Mittel berechtigt
zu sein. Er folgte seiner angeblichen Erfahrung, wonach er
„oft durch Grobheit Liebe oder doch Furcht“ gewonnen habe,
übertrat aber dabei hin und wieder die Gebote des Taktes,
insbesondere gegen die Frauen. Hinzu kam, seine Unbedenklichkeit
im Moralischen verständlich zu machen (die man hier
hat finden wollen), seine Verachtung der Menschen. „Die
Menge ist eine Bestie, — so bekennt er damals, — darum
imponiert.“ Jedoch darf man davon überzeugt sein, daß
der Dichter im Innersten unter dieser Haltung litt; so wie
er ja auch zuletzt von der Fabrikation der Selbstrezensionen
sich voll Ekels abwandte.

  Die von Grabbe gewählte Taktik schien Erfolg zu bringen.
Der von ihm „mit Absicht getadelte erste Komiker und
Liebhaber hiesigen Theaters“, Herr Braunhofer, machte ihm
seine Aufwartung. „Du siehst,“ setzte Grabbe hinzu, als er,
unterm Verweis zum Text 28. November, dem Freunde darüber berichtete, „unsere
Tollheiten wirken in jedem Schlag Menschen.“ Dem folgenden
Verweis zum Text Briefe (vom 2. Dezember) entnehmen wir, daß einer
der Pichlers „einige Szenen, am Ende die meisten, in der
Nannette über Romeo und Julie“ gesetzt habe. Beides wird
nicht ohne Einfluß auf Grabbes nächsten Theaterbrief, den
des „Gesellschafters“, geblieben sein, der sich vorwiegend mit
Braunhofer und Pichler jun., und zwar recht anerkennend,
beschäftigt, und mit dem Bedauern darüber schließt, die Madame
Braunhofer „nicht in genugsamer Tätigkeit“ gesehen
zu haben. Sein erstes Ziel glaubte Grabbe erreicht zu haben: