| [GAA, Bd. IV, S. 223] 37. Ein paar Bemerkungen. Es wird jetzt oft gesagt: „alles muß öffentlich seyn“ 5und im tägl. Anzeiger vom 1sten d. M. wird schon in einer Annonçe, welche unter Anderem auch von städtischer Reinigung redet, dieser Wahlspruch gebraucht. So leicht wirken Sentenzen weiter, und zwar deshalb, weil sie sich kurz, kühn, ohne Gründe aussprechen und daher leicht imponiren, leicht vom 10Leser aufgenommen sind. Man prüfe sie genauer, und es gibt vielleicht in der ganzen Literatur keine einzige, welche mehr als eine Halbwahrheit wäre. Müssen, um bei der obigen zu bleiben, s. g. Apartements, Kloaken-Ausleerungen, und, um von was Edleren zu reden, unschuldige Geheimnisse Liebender, 15Entwürfe eines Feldherrn vor der Schlacht, verschlossene deponirte Testamente, bis zur Zeit, wo deren Erbrechung erlaubt ist, ect. ect., öffentlich seyn? Gefühl, Verstand, Scham, Moral, und Gesetz sagen: nimmermehr. Also mäßig, und heiße es nur: alles sey öffentlich, sofern Gesittung und gesunde Ver- 20nunft es gestatten. Dann kommt oft der Grundsatz vor:„Zahlen entscheiden“.Geschweige, daß noch Niemand in forma logica hat beweisen können 1 sey gleich 1, demnach die ganze Mathematik so gut 25wie alles Irdische auf schwachen Grundvesten ruht, wollen wir das beiseit lassen, und hier das gewöhnliche System dieser Wissenschaft annehmen. Zahlen entscheiden? Friedrich der Große hatte in der Schlacht bei Roßbach, welche er so glorreich gewann, höchstens 25_000 Mann gegen 68_000 Reichstruppen 30 und Franzosen, ja, fast alle großen Feldherrn siegten in der Regel mit der Minderzahl gegen die größere. Kann man da noch sicher sagen, daß Zahlen entscheiden? Nein, der Geist, der Zufall und manches Andere entscheiden auch! Nehme der von meiner Jugend auf von mir verehrte Urheber 35dieser Worte, dessen Werke ich stets gern las, solche Einwendungen nicht übel. Er belehre mich, hab' ich Unrecht.Grabbe. |
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