| [GAA, Bd. IV, S. 169] Lear. — Hr. Jenke gab den Narren, und sein Narr war das Klügste bei der Aufführung, ganz nach Absicht des Dichters aufgegriffen: recht komisch, weil er nur mit Lachen die Bitterkeit seines Gefühls bezähmen kann. — — Hätten Hr. 5Schenk (Edgar) und Hr. Seeliger (Edmund) ihre Rollen getauscht, wär's auch besser gewesen. — Goneril, Regan, sind Figuren, aus welchen die geübtesten Schauspielerinnen kaum soviel machen können, daß sich die beiden von William plump hingetuschten Charactere unterscheiden. Dagegen ist 10die Cordelia eines seiner Meisterstücke, und entschädigt das Publicum für ihre Schwestern. Indeß hatte dießmal Cordelia's Darstellerin eine der mißmuthigen Launen, welche leicht ein Genie heimsuchen. Ich kann mich irren, jedenfalls aber erwartete ich von der Versing in dieser Rolle viel 15mehr. 10. 3. Stadt-Theater. Sonntag, den 6. Dec.: Zum Erstenmale: König Enzio, 20von Raupach, angeblich ein Trauerspiel, vermuthlich was anderes. Anfangs spielten die Darsteller trefflich, aber auf die Länge konnten sie der Gewalt von Raupachs erbärmlicher Poeterei, aus hohlen Phrasen zusammengekittet, nicht widerstehen und 25wurden flau wie sie. Enzio's Dulden ist auch gar kein Stoff für das Drama, und es gehört eins der Tischlergenies dazu, welche sich nicht scheuen alles schlechte Holz zu zersägen, aneinanderzunageln, und dem Publicum keck darzubieten, in der Sicherheit, daß die Menge den elenden Stoff und die 30traurige Bearbeitung nicht bemerkt. Raupach wird leider noch immer ein Dichter genannt, und er fährt nichtsdestoweniger fort mit jedem seiner neuen Stücke zu beweisen, daß er weder Dichter, noch Gelehrter ist. Er hat sich Ruf errungen. Wer indeß mehr an diesem Versehen schuld ist, er oder sein Publicum, 35weiß unterzeichnete 10 nicht. Montag, den 7. Dec.: 1.) Zum Erstenmale: Die Nachbarn. Dramatische Idylle in einem Aufzuge von Immermann. |
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