| [GAA, Bd. IV, S. 40] — seine vielseitige und geniale Phantasie, — sein tiefer Blick in das Leben und in die Weltgeschichte, — die göttliche Ruhe (welche Friedrich Schlegel wohl mit seiner „göttlichen Faulheit“ verwechselt), mit der er oft auf dem 5vom Archimedes ersehnten Puncte außer der Welt zu stehen und sie zu bewegen scheint, — der Humor, die Ironie, mit welchen er selbst durch Thränen lächelt, — alles dieses und noch viel mehr erkenne ich mit Erstaunen im Shakspeare an und hoffe es einst in einer besonderen Schrift, die ich um die 10Mode zu ehren gleich dem Franz Horn „Erläuterungen zum Shakspeare“ nennen werde, mit Beweisen niederzulegen. Hier aber thut es leider noth von Shakspeares Schattenseite zu reden, indem die Shakspearo-Manisten lieber blind seyn als diese sehen wollen.15 Grade mit dem ersten Vorzuge, den der Haufen der Shakspeare -Vergötterer an seinem Idole zu entdecken glaubt, deckt der Haufen nur seine Unwissenheit auf, — ich meine mit dem Lobe der dem Shakspeare fast sprichwörtlich zugeschriebenen Originalität. Unter dieser Originalität verstehen 20die Herren vor allem anderen die Form, das heißt, die Theaterverwandlungen, die Art des Dialoges, die Manier einzelner Ausdrücke und der Characterschilderungen, den willkührlichen oder willkührlich scheinenden Gang der Handlung pp. Dieses alles ist jedoch nicht shakspearisch, sondern 25alt englisch. Weit vor dem Shakspeare, von dem alten Schauspiele „Gorboduc“ an, war alles das, selbst das Aufsuchen und Auffinden solcher Gedanken, welche wir jetzt echt shakspearisch heißen, auf der englischen Bühne zur Mode geworden. Ben Johnson, Francis Beaumont und Fletcher, Thomas 30Heywood, Christoph Marlow und viele Andere zogen mit ihren eben so genialen Dramen (man erinnere sich an die Tragödien Faust, Sejan, Catilina pp, an die Lustspiele every man in his humour, the knight of the burning pastle pp) vor und mit den shakspearischen Schauspielen über das 35Theater, und deshalb konnte Shakspeare zu jener Zeit, wo so viele geistesähnliche Nebenbuhler ihn umstanden, nicht den Beifall erhalten, welcher ihm jetzt, da die Nebenbuhler aus Unwissenheit vergessen sind, allein zu Theil wird. Mancher deutsche Kritiker wird ein Stück von Fletcher und Beaumont, 40wenn man ihm den Namen der Verfasser verhehlt, von einem shakspearischen nicht zu unterscheiden wissen. Shakspeare schuf |
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