| [GAA, Bd. IV, S. 37] Dichtkunst hingewiesen, fand wohl im Shakspeare den Mann, in dessen Namen und Geiste er auch bei eigner theatralischer Unwirksamkeit, selbstkräftig auf dem dramatischen Felde schaffen konnte. L. Tieck hat den Shakspeare 5mit einem gelehrten Fleiße studirt, er hat ihn sich zu eigen gemacht, — aber wie bei Tieck alles Schöpfungskraft ist, während Wilh. Schlegel nur rückzuspiegeln vermag, so ist der Shakspeare, den Tieck uns gibt, nicht mehr Shakspeare selbst, sondern es ist der Tiecksche; Tiecks Kritik ist nicht bloß 10Zergliederung und Beurtheilung, sondern sie ist selbstständige Poesie, veranlaßt durch die Betrachtung Shakspeares; sie verhält sich zu diesem fast wie eine geniale Naturphilosophie zur Natur selbst. Z. B. die Ansicht von dem Character der Lady Macbeth, von der durchbrechenden Weichheit desselben, 15welche, wie ich gleichfalls erst jetzt beim Revidiren dieses Aufsatzes vernehme (Journale lese ich wenig) Tieck der Mad. Stich mitgetheilt haben soll, zeugt von tiefster Menschenkenntniß und dichterischer Lebens-Durchschauung: denn selten wird Jemand so erstarrt wie die Lady Macbeth im Bösen werden 20können, wenn er nicht vorher weich und äußerst reitzbar gewesen ist. Aber sollte Shakspeare hier so weit zurückgedacht haben? Vielleicht. Jedoch im Drama selbst besteht unbedingt die große Seite der Lady Macbeth darin, daß sie durch Kraft ihres Willens überall, sowohl gegen Macbeth als gegen sich 25selbst (wie ihre Monologen ausweisen), jedes weiche Gefühl niederdrückt und nur ihren furchtbaren Zweck fest im Auge behält. In der schrecklichsten Scene des Stückes, bei der Ermordung Duncans, höhnt sie ihren zagenden Gemahl sogar aus. Fast grenzt das alles bei einem Weibe an 30Unnatur, und Lady Macbeth würde uns ein Räthsel bleiben, wenn Shakspeare selbst nicht den Schlüssel gäbe und unser |
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