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GAA, Bd. IV, S. 446 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 446]

 



  Schulberg. Ich versuchte mich in mehreren Gattungen
der Dichtkunst.

  Irene. Nun zum Exempel?

  Schulberg. Kennen Sie Saphir und Narzissa?

  Irene. Nein.

  Schulberg. Die güldne Tafel, oder: die Tugendin
den Höhen?

  Irene. Auch nicht.

  Schulberg. Die frohen Abende fühlender
Seelen?

  Irene. Ja; das kenne ich, die Mama hat es mir gegeben.

  Schulberg. Wie gefiel es Ihnen? (freundlich.)

  Irene. Fatal! Da wird immer geseufzt und gewinselt, daß
sich ein Stein erbarmen möchte. Ich habe lange die frohen
Abende gesucht; und, weil ich keinen fand, warf ich das
Buch weg.

  Schulberg. (empfindlich) Ich bedaure.

  Im weiteren Verlaufe des Gesprächs stellt sich heraus, daß
Irene auch eines der Theaterstücke Schulbergs kennt, nämlich:
„Belus und Mansur, oder die gerechten Jünglinge“. Aber auch
dieses hat keine Gnade vor dem Urteil ihres Geschmacks gefunden.
„Das war ein ehrlich — aber langweiliges Stück!“
Schließlich glaubt der Dichter zu seiner Freude, daß doch eines
seiner Kinder so glücklich sei, der Baroneß zu gefallen, nämlich
sein Originaltrauerspiel „Die ergrimmten Rächer“. Denn
dieses hat sie sogar aufführen sehen und es hat sie glücklich
gemacht. Aber auch hier bleibt die Enttäuschung Schulbergs
nicht aus. Es sei nämlich, so bekennt Irene weiter, ein sehr
unterhaltendes Stück gewesen, und sie habe ganz entsetzlich
gelacht. „Gelacht?“ fragt darauf Schulberg, „wie vom Blitz
getroffen“ und vor Entsetzen zwei Schritte zurückprallend.

  Irene. Ja.

  Schulberg. Im Trauerspiel?

  Irene. Freilich. O es war zum Todtlachen, wie ein Bösewicht
nach dem andern massakrirt wurde, und alle sich noch
vor ihrem Ende bekehrten.

  Schulberg. (voll Wuth) Ich werde ein neues Marionettentheater
schreiben, und bitte um Erlaubniß, es Euer Gnaden
zueignen zu dürfen.

  Irene. O ja, das thun Sie! Sie müssen aber lauter