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[GAA, Bd. IV, S. 444]

 


Schmähkritik dazu zu wählen, und dadurch neue Kränkungen
bei Personen aufzuregen, die es doch schwerlich an ihm
verdient haben können, auch, unsers Erachtens, niemals in
einem nähern Verhältniß dazu mit ihm gestanden haben. —
Sollte aber vielleicht die hohe Achtung und Verehrung, wovon
der Herr Redacteur für jenes Kritikers Geist und
Laune sich so tief durchdrungen fühlt, ihn zu dieser Verirrung
verleitet haben, so schweigen wir mit Bedauern,
und denken nur — Heiliger Apollo! vergieb ihm, denn er
wußte nicht was er that!“

  Mochte man im Kreise der Pichlerschen Schauspielergesellschaft,
mit Recht oder Unrecht, den Verdacht hegen, daß
Grabbe an diesem Wiederabdrucke nicht unbeteiligt sei, auf
jeden Fall war man nicht gewillt, ihn dieses Mal davonkommen
zu lassen, und beschloß, eine bittere Rache an ihm
zu üben. Näheres darüber erfahren wir durch Ziegler, der
darüber Folgendes berichtet:

  Grabbe „hatte in einem westphälischen Provinzialblatt das
Personal der Detmolder Bühne scharf recensirt und z. B. bei
Herrn Lortzing, dem nachmals berühmt gewordenen Componisten,
von markörmäßiger Gewandtheit, bei einem andern
Schauspieler von der Dickfaust des Drama's gesprochen. Das
Theaterpersonal war deshalb empfindlich geworden und
mochte dies die Veranlassung sein, weshalb ein Herr Pichler
in einem Stücke Kamäleon in der Rolle des Dichters Schulberg
ihn auf die Bühne brachte und freilich bis zur frappantesten
Aehnlichkeit darstellte, mit der hohen Stirn, dem bis
oben auf den Kopf zurückgewichenen blonden Haar, dem
röthlichen Backenbart und dem zurückgebogenen Mund und
Kinn. Es fehlte auch nicht die Brille auf der Stirn, ferner der
Regenschirm und die Gewohnheit, das rothe Schnupftuch in
der Hand zusammenzudrücken und mit Bestie, Zobel und
dergleichen um sich zu werfen, so daß man allgemein im
Parterre ausrief: Grabbe, Grabbe! Letzterer war grade im
Theater anwesend und wurde über diese Zurschaustellung
seiner Person nicht nur übel berührt, sondern gerieth darüber
wie außer Fassung, lief von einer Seite des Theaters zur andern,
und schickte sogar zur Intendanz, um die Aufhebung des
Stückes zu verlangen, die aber natürlich nicht bewilligt werden
konnte. Darauf faßte er den bittersten Haß gegen alle