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GAA, Bd. I, S. 75 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. I, S. 75]

 


Geworfen, in dem Grabgewölbe lag,
Erfuhr ich andre Angst! — Ein Einsamer,
Handschrift Der einzige Lebendge unter Toten,
Ergriff mich unbezwinglich Geistergraun, und
5Voll heißer Sehnsucht weint ich nach
Dem süßen, goldnen Licht der Sonne. — Doch
Die Kräfte meines Arms erschlafften an
Des Eisengitters Festigkeit, — mein Ruf
Verhallte in den unterirdschen Klüften;
10Verzweiflung gab mir neue Stärke
Und mit dem Kopfe rannt ich wütend an
Die Tür, — mein Schädel ward zerschmettert, doch
Handschrift Die Türe nicht! — Betäubt lag ich nun da,
Bis mich der Hunger schrecklich weckte! —
15Handschrift                     Schaudernd naht
Ich mich den würmdurchnagten Leichen, sie
Zu speisen — Grabesmoder dampfte mir
Entgegen und trieb mich zurück; — da schlug
Ich endlich meine giergen Zähne in
20Das eigne Fleisch und nagte meine Finger —
Erstdruck Indem er den Mantel etwas lüftet und dem Herzoge verstohlen
seine Hand zeigt, mit leiserer Stimme
Hier sehet Ihr die angefreßnen Knochen!
Gothland Scheußlich!
25Rolf Was ich verdiente, litt ich nur! — Als ich
Handschrift Nun lange Zeit, mit dumpfem Starrsinne,
Die Finger in dem Munde, auf
Dem Deckel eines Sargs gesessen, — als
Nun alles grabesstill geworden war —
30Da blickten Schlangenköpfe aus
Den Löchern des zerbröckelten Gemäuers,
Und als sie nichts gewahrt, arbeiteten
Sich schwarzgefleckte Nattern an
Die Dämmrung des Gewölbs hervor
35Und glitschten auf die Särge zu, um die
Handschrift Gewohnte Leichenkost
Zu fressen; — furchtsam wich ich ihnen aus —
Auf einmal halten sie in ihrem Lauf —
Handschrift Sie riechen was Lebendiges!
40Vor Freude zittern sie mit ihren Schwänzen, —
Sie wenden sich vom Fleisch der Toten weg