Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. V, S. 194 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. V, S. 194]

 


in der Stadt Detmold im Fürstenthum Lippe) eröffnet die Vorrede
zu diesem Buche mit der Erklärung, daß ihm seine jetzt
gedruckten dramatischen Werke längst fremd geworden seyen.
Die Vorrede ist in einem so kalten, sich selbst belächelnden
5Style geschrieben, daß man diesem Geständniß fast Glauben
schenken könnte. Die hier gedruckten Stücke bestehen in Herzog
pp Trauerspiel pp, N. u. M. e. t. Sp., S. S. I. u. t. B. e.
L. pp, M. u. Sulla, e. Tr., und in einer Abhandlung über die
Shakspearomanie. Dem Herzog Gothland ist ein Schreiben
10L. Tiecks vom 6 Dec. 1822 beigedruckt, nach welchem ihm
zwar „ein wahres Urtheil grade bei diesem Stück schwer fällt,“
aber das Resultat darin besteht, daß das Werk „ihn angezogen
pp — gewonnen“.

  Rec. hat lange Jahre den Gang der poetischen Literatur
15beobachtet, aber eine im Ganzen so niederschlagende und dennoch
hie und da erhebende Erscheinung wie diese dramatischen
Dichtungen bilden, ist ihm noch nie vorgekommen. Offenbar
ist der Verfasser in mehr als einer Rücksicht untergegangen,
mit Ernst und mit Spott scheint er alles Sittliche und Ideale
20zertrümmert zu haben, er selbst ist mit sich uneins, er ist sich
nichts, deshalb ihm auch die Welt. Die Tragödie Gothland
enthält den Kampf eines Negers (Berdoa) mit dem
Herzoge Gothland, dem Repräsentanten der
Europäer. Der Neger ist mit Farben gezeichnet schwarz
25wie er selbst, und Gothland, ein kühner, aber schwacher
Mensch, erstarrt endlich zu einem Bösewicht, der den Neger
noch überbietet. Beide Personen bekämpfen unter vielen Wechselfällen
sich fortdauernd und gehen endlich beide unter. Das
Merkwürdige bleibt dabei, wie bei den trefflichsten poetischen
30Stellen, fast auf jeder Seite, wirklich mit dem Neger ein wahrer
Samum verheerend durch das Stück weht, der alles Gemüthliche
und rein Menschliche darin zerstört. Wenn Berdoa „fast
mit Handschrift Vision“ sagt:

            „Sinne öffnet eure Thore
35Amen“

so bezeichnet er damit nur den Geist des Stückes. Rec. scheut
sich, hier ein Mehreres auszuziehen, nur den neugierigen Kenner
könnte er dabei interessiren, — dem Verfasser indeß ist zu
rathen, nicht im Zerstören, sondern im Aufbauen
40des Edlen seinen Ruhm zu suchen.

  Das tragische Spiel „Nannette und Maria“ ist eine Skizze,

 

 
 
Werktext:Anmerkungen: